Jahrbuch des Kreises Steyr 1940

204 In der Nacht vom 26. auf den 27. wurden im ganzen Gemeindegebiet Flug¬ zettel mit verschiedenen Sprüchen aufgeklebt. Am nächsten Morgen mußten die Schul¬ kinder, anstatt zur Schulmesse zu gehen, die Zettel entfernen. Josef Mannigatterer er¬ hielt für das Flugzettelverteilen noch weitere drei Wochen Arrest. Am 31. September brannten wieder zwei große Hakenkreuzfeuer: eines am Gre¬ stenberg und eines auf der Hohen Dirn. Die Täter wurden nicht ermittelt. Am 8. Oktober wurde am Ofen in Kirchenberg ein gut besuchter SA.=Appell ab¬ gehalten. Am 12. erhielt Alois Stockenreiter wieder 48 Stunden Arrest. Anläßlich einer Empfangsfeier von heimgekehrten Häftlingen in Marxriesers Gast¬ haus hielt Alois Mitteregger eine schöne Ansprache. Das Propagandaamt der „Vaterländischen Front“ ließ „Wandzeitungen“ drucken, welche die Bevölkerung allerorts aufklären sollten, welche Verdienste sich die Re¬ gierung um Volk und Heimat erworben hat. Am 13. Oktober wurde von den Nationalsozialisten eine ähnliche „Wandzeitung 7“ Nr. angeschlagen, die die Verdienste der Nationalsozialisten hervorhob. Acht Tage hing sie an der Ankündigungstafel, ohne daß die Augen des Gesetzes sie als „unecht“ er¬ kannten. Viele Losensteiner haben sie gelesen und sich über den Inhalt gefreut, andere mögen etwas verwundert den Kopf geschüttelt haben. Beim Sicherheitsdirektor wurde angezeigt, daß die Nazi in Losenstein als Ersatz für die verbotenen Abzeichen — Habichtfedern tragen. Am 8. November wurden aus Anlaß des zehnjährigen Gedenktages an die gefalle¬ nenHelden vom 9. November 1923 sieben große Hakenkreuzfeuer abgebrannt. Auch die Ruine Losenstein wurde schön beleuchtet. Ganz Losenstein war in Aufregung. Gendarmerie, Heimwehr und Reichsbund wur¬ den aufgeboten, um die Täter zu fangen — erwischt haben sie niemand. Die Gendarmen gingen zum Kaufmann Kargl und fragten, ob niemand bei ihm Petvoleum gekauft habe. Kargl verneinte, forderte aber die Gendarmen auf, das Nazinest bei Marxrieser aus¬ zuheben. Die „Steyrer Zeitung“ schrieb dazu am 14. November 1933: „Ein offenes Wort. Vor kurzer Zeit wurden in Losenstein zu gleicher Zeit sieben Hakenkreuzfeuer abgebrannt. Zur Zeit, da dieser Artikel geschrieben wurde, waren die Täter nicht ge¬ funden. Man wird uns doch nicht glauben machen wollen, daß die Feuer etwa durch Geistesblitze aus dem Dritten Reich entzündet worden seien! Es ist zwar alles ziem¬ lich geheimnisvoll, was unsere Nazi unternehmen — aber noch geheimnisvoller erscheint es uns, daß keinem etwas passiert. Da werden Berg und Tal nach den Uebeltätern abgesucht. Aber, meine Herren, diese Mühe können Sie sich wuhig ersparen! Sperren Sie den Häuptling einmal ein halbes Jahr ein und schließen Sie das braune Haus und Sie werden sehen: das ist ein tadelloses Mittel, um die geheimnisvollen Feuer¬ chen und Geistererscheinungen unserer Nazi wegzublasen. Kürzlich fand in einem gewissen Haus in Losenstein über Anzeige eines Heimwehrmannes eine Hausdurchsuchung statt, die zahlreiche Flugschriften und Geheimaussendungen der braunen Bolschewiken zutage förderte. Alle diese Schriften stammten, wie sich herausstellte, aus dem Losensteiner „Braunen Haus“. Während nun die Hausdurchsuchung in diesem (nicht im „Braunen“ Hause vor sich ging, begab sich ein Nazi seelenruhig und von niemandem gehindert ins „Braune Haus“, um den Häuptling von den Geschehnissen zu unterrichten. Ja, ja! Es geschehen heute noch Zeichen und Wunder — besonders im Losensteiner „Braunen Haus". Es ist eben alles recht geheimnis voll bei uns in Losenstein. In ganz Oester¬ reich werden die Vaterlandsverräter in Anhaltelager geschickt, nur in Losenstein sind diese nicht zu finden. Am besten ist es wohl, dem neuen Kommissär für Personalreform einmal ans Herz zu legen, er möge sich eingehendst über die verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen gewisser Losensteiner Herren informieren und sich die Kreise ansehen, in welchen sich diese Herren und ihre Kinder bewegen.“

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