Jahrbuch des Kreises Steyr 1940

199 mit Kalk gemalt. Auf der Steinmauer wurde an einer Stelle, die nur sehr schwer erreichen war, eine Hakenkreuzfahne gehißt. zu Die Anerkennung Adolf Hitlers als Führer der Partei und aller Deutschen war in den Augen der Regierung Hochverrat, die Anerkennung des Papstes als Führer aller Katholiken dagegen erlaubt. Erstere gefährdete die gegen den Willen des Volkes er¬ zwungene Selbständigkeit Oesterreichs, letztere dagegen sicherte das Regime durch die Macht der Kirche, die voll und ganz gegen die Nationalsozialisten eingesetzt wurde. Dem Verbot von Neuwahlen in die Gemeindevertretungen und Landtage folgte am Juni 1933 das Verbot der NSDAP. in Oesterreich. 19. Schon vorher suchte man den Nationalsozialisten durch Hausdurchsuchungen unan¬ genehm zu werden. Ende Mai suchten Gendarmen von Steyr in den Wohnungen von Karl Marxrieser, Adolf Klaus (SA.=Führer) und Adolf Sturmberger (Kassenleiter) nach Waffen und staatsgefährlichen Schriften. Gefunden wurde bei Sturmberger ein Revolver unter 18 Zentimeter Länge und der wurde beschlagnahmt. Am 3. Juni kamen wieder Gendarmen von Steyr und wollten Marxrieser verhaften. Sie konnten ihn aber nicht finden, weil er bei den Nazis Unterschriften einsammeln war. Die Nazis wollten in Her Gemeinde den Antrag einbringen, daß Adolf Hitler zum Ehrenbürger von Losenstein ernannt werde. Der Postenkommandant von Losenstein sagte zu den Steyrern, daß bei Marxrieser ohnehin keine Fluchtgefahr sei. Die Gendarmen suchten daher nicht weiter. Marxrieser hatte schon 400 Unterschriften für Hitler gesam¬ melt. Er war wohl überzeugt, daß Hitler nie zum Ehrenbürger ernannt worden wäre auch wenn es der Wille der Mehrheit der Bevölkerung gewesen wäre. Nur, weil einige Gemeinderäte wollten, daß Dollfuß zum Ehrenbürger der Gemeinde ernannt werde, hatte er Unterschriften für Hitler gesammelt. Alles freute sich, als die Nachricht in die Oeffentlichkeit drang, daß der Gemeinde¬ abgelehnt — rat von Losenstein den Antrag, Dollfuß zum Ehrenbürger zu ernennen hatte. Am 4. Juni wurde Karl Marxrieser von der Gendarmerie eingehend verhört, doch mangels an Beweisen strafbarer Handlungen nicht verhaftet. Am 13. Juni wurden beim Ortsgruppenleiter Marxrieser und SA.=Führer Adolf Klaus wieder Hausdurchsuchungen vorgenommen. Bei Marxrieser wurde ein Parteipro¬ gramm, bei Klaus Exerziervorschristen vorgefunden. Beide wurden wegen Verdachtes, hochverräterische Handlungen vorgenommen zu haben, dem Bezirksgerichte Weyer über¬ stellt. Gendarmerieinspektor Franz Stadler, welcher bei Marxrieser wohnte, mußte seinen Hausherrn verhaften und mit Klaus abführen. Am Bahnhof in Losenstein hatten sich um 7 Uhr abends etwa 120 Parteigen ossen eingefunden und sangen ihrem Orts¬ gruppenleiter gleichsam als Treueschwur das Horst=Wessel=Lied zum Abschied. (Pg. Jo¬ hann Roßbach nannte die Christlichsozialen „Schwarze Hunde“ und mußte dafür 10 Schilling Strafe zahlen. In Weyer wurden sie von einem zweiten Gendarmen empfangen, welcher vorsorglich Bajonett ans Gewehr gesteckt hatte. Wie zwei Verbrecher wurden die Beiden durch das denOrt in den Arrest geführt. Im Arrest ging es den Beiden recht gut. Oft wurden sie von den Töchtern des Oberlandesgerichtsrates zu einem guten Kaffee geladen, die damit ihre politische Gleich¬ richtung bezeugen wollten. Aber auch der Kerkermeister Aigner war ein Nazi. Als später Marxrieser und Klaus wieder in denselben Arrest eingesperrt wurden, mußte auch Aigner mit ihnen das harte Lager in der Zelle teilen. Als weiterer Zellengenosse erschien der Ortsgruppenleiter von Weyen, Karl Ebmer. Da Hochverrat nicht nachgewiesen werden konnte, wurden am 17. Juni Karl Marx¬ rieser und Ebmer enthaftet. Von Weyer aus verständigte Marxrieser seine Parteigenossen in Losenstein von seiner Freilassung. Als er abends in Losenstein ankam, wurde er von 150 Partei= und Volks¬ genossen mit Musik am Bahnhof empfangen. Unter dem Krachen der Böllerschüsse

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