308 Die Geschichte war unheimlich. Alles Suchen nach dem Matrosen Köster, an der sich auch die europäische Hafenpolizei eifrig beteiligte, blieb ergebnislos. Schlie߬ lich mußte man sich, so schmerzlich es war, mit der Tatsache abfinden, daß er einem Hai zum Frühstück gedient hatte. Ein Ersatzmann wurde beschafft. Das Schiff holte wieder vom Kai ab, diesmal ohne Gesang. Trübsinnig schlichen die Matrosen um das Ankerspill herum, nur die Pallen sagten: „Klipp, klapp!“ wenn ein Kettenglied einkam. * Nach Jahren kam die „Gudrun“ wieder nach Singapore. Der ehemalige Steuermann Schröder führte sie als Kapitän. Am Ankunftstage war er als Gast ins Haus seines Agenten eingeladen. Mit seemännischer Pünktlichkeit stellte er sich dort reichlich früh ein. Der Hausherr war noch abwesend, seine Tochter empfing ihn. Die Unterhaltung drehte sich um den früheren Aufenthalt der „Gudrun“ in Singa¬ pore, auch der Unglücksfall des Matrosen Köster wurde erwähnt. „Sehen Sie, Fräulein Röver“ sagte Kapitän Schröder, „der Köster hatte keine gute Nummer bei mir. Daß mein Urteil über ihn richtig war, hat er durch seinen dummerhaftigen Abgang bestätigt.“ „Man kann sich in der Beurteilung eines Menschen irren, Herr Kapitän.“ „Ich bestimmt nicht, Fräulein Röver. Ich gehe jede Wette ein, daß mein Urteil richtig war. „Sie können „Ich nehme die Wette an und will den Gegenbeweis liefern.“ genau so wenig hexen wie ich, Fräulein Röver. „Ich kann aber nicht vertragen, wenn über einen Menschen, der sich nicht ver¬ teidigen kann, Schlechtes gesagt wird.“ Kampfbereit sah sie ihren Widerpart an. Kapitän Schröder machte erstaunte Augen und wollte gerade neues Oel ins Feuer gießen, als die Tür aufging und Herr Röver, der Agent, in Begleitung eines jungen Mannes eintrat. Er stellte den als seinen Schwiegersohn und Kapitän eines Küstendampfers vor. Unsicher sah Kapitän Schröder die Tochter des Hauses an und sagte schließlich: „Dann sind Sie wohl gar verheiratet? „Ja, ich bin die Frau von dem Schwiegersohn da!“ Ein schelmischer und zugleich feindseliger Blick traf den Seemann. Kapitän Schröder grübelte. Plötzlich stand er vor dem jungen Küstenkapitän, sah ihn scharf an und sagte schwerfällig: „Es muß wohl so sein. Sie sind Köster und leben. Sie sind der erste Mensch, in dem ich mich wirklich geirrt habe. Nun soll auch alles zwischen uns in Ordnung sein, erzählen Sie, wie es mit Ihnen zurecht¬ gekommen ist.“ „Ich bin die Alleinschuldige“, fiel Frau Köster ein. „Dies haben Sie mir schon damals, und mit mehr Recht, als Sie ahnten, gesagt. Ich stand am Kai, um meinem heimlichen Verlobten zuzuwinken, sah, wie er ins Wasser fiel und in einen Zampan hineingeholt wurde. Da kam mir ein himmlischer Gedanke. Ich rief dem malaiischen Retter in seiner Sprache zu, er solle zehn Dollar haben, wenn er den Geretteten unentdeckt an Bord des Küstenschiffes bringe, das vor der „Gudrun“ lag. Wie der Blitz warf er eine große Matte über ihn, seine Genossen verrieten ihn nicht, und ich eilte an Bord des Schiffes, das meinem Vater gehörte, und nahm ihn dort in Empfang. Er war besinnungslos, hatte sich beim Fallen an einem Zampan verletzt, kam aber langsam wieder zu sich. Ich hielt ihn über alles in Unklarheit, bis die „Gudrun“ ausgefahren war. Alles weitere machte sich von selbst. Mein Vater brachte die Angelegenheit mit dem Konsul in Ordnung. Ich heiratete meinen Matrosen, der heute Kapitän ist und bald das Geschäft meines Vaters übernehmen wird. Und zwei große Jungen haben wir auch“ setzte sie voller Stolz hinzu. Kapitän Schröder lachte dröhnend auf: „Ich bin geschlagen. Im Falle Köster habe ich einen Faktor unberücksichtigt gelassen, wodurch mein Irren erklärlich wird, die große Mitspielerin Liebe. und das ist — E3
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