Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1939

305 Fahlung den Laden, aus dessen Ecke sich ein ehrwürdiger alter Mann mit schnee¬ weißem Haarschopf und großen schwarzen Augen erhob. Schnell, als müsse sie so¬ fort Gewißheit erlangen, wies sie auf eine kleine, etwas roh bemalte Vase, deren oberer Rand zu vier Buchten ausgeweitet war. Woher stammte sie, wie kam sie hierher? Der Ladenbesitzer nahm die kleine Keramik in die Hand, betrachtete sie lächelnd und sagte, das sei eine spezifisch capresische Form, jetzt etwas unmodern ge¬ worden * Atemlos erwiderte der junge Gast, daheim, oben in Schleswig=Holstein, habe sie dasselbe Stück, und stets geglaubt, es sei ein Erzeugnis einheimischer Volkskunst, obwohl sie nie ein zweites gesehen habe. Und ihre Großmutter, von der sie die Vase geschenkt erhalten habe, widersprach nicht, sondern lächelte nur und seufzte einmal, auch Vasen hätten ihre Geschichte . .. Sie hielt inne. Wie kam sie nur dazu, diesem wildfremden Manne so viel Vertrauen zu schenken? Nun ja, die Freude über den Fund hatte ihr die Zunge gelöst, und wenn er lachen würde, was tat's? und Aber er lachte nicht. Leise sagte er vor sich hin: „Sleswik=Holstein“ dann in einem plötzlichen Ausbruch und ganz reinem Deutsch: „Schleswig=Holstein, Schleswig=Holstein! Sie sind Deutscher von Geburt?“ fragte sie erstaunt. Bei seinem Aussehen schien es ihr beinahe unfaßbar. Er nickte. „Jawohl, Deutscher.“ Er atmete tief auf. „Hier hängen geblieben, wie so mancher, der sich nicht zur rechten Zeit zu trennen vermag.“ Allmählich fand er die Worte, die er anfangs suchen mußte. Ein Maler, den die Schönheit der Insel berauscht hatte, der sie in immer neuen Bildern festzuhalten versuchte, obgleich sein eigentliches Fach wohl das Porträt gewesen sei. Und endlich — nun hob er die kleine Vase mit trauriger Gebärde in die Höhe — war es dazu gekommen: zu einfachen, kleinen, bunten Keramiken, die man fast mechanisch herstellte und grob ausführte, um sie recht als Volkskunst zu stempeln. „Also ein Fälscher bin ich auch noch, Signorina“, gestand er offen. Oh, nein, sie fand sie wunderschön, so originell in der Form und — sie stockte doch etwas und scheute sich, die Notlüge auszusprechen, dann fuhr sie eilig fort, daß die ihre, daheim, ähnlich bemalt sei, und unbedingt müsse sie diese dazu haben. „Mutter und Kind“, sagte sie lachend, „denn meine ist größer „Die in Schleswig=Holstein“ sagte er vor sich hin. Dann hob er den Blick und betrachtete sie lange. „Ihr Gesicht war mir bekannt“ stieß er aus, „sie war — blond wie Sie und hatte dieselben etwas hartblauen Augen, und sie hieß Adda „Adda, wie ich?“ sagte sie sanft, nicht mal sehr erstaunt über den Zusammen¬ hang. Er antwortete nicht. An seiner altmodischen Uhrkette hing ein kleines Medaillon, das versuchte er zu öffnen. Es gelang ihm nicht, sie half ihm. „Ja, ja, meine Großmutter“, stieß sie nun doch überrascht aus, „und dasselbe Bild hängt nur größer — bei uns zu Hause „Es stammt von mir, Signorina. Dies war der erste Entwurf, den ich machen mußte — denn der deutsche Herr wollte sich von meinem Können überzeugen, ehe er — sie gab mir später mir den Auftrag gab, seine schöne Tochter zu malen. Und sie daskleine Medaillon zur Erinnerung und zum Aufbewahren des Bildes „Das haben Sie treu getan“, sagte Adda herzlich und nahm seine Hand in die ihre. „Aber wie ging es weiter, kam keine Fortsetzung?“ Er schüttelte den Kopf. „Ein armer, wahrscheinlich zukunftsloser Maler, wie es ja auch geworden ist! — und sie, die verwöhnte Tochter eines reichen Grundherrn nein, ich würde das nie gewagt haben. Ein paarmal schrieben wir uns noch dann war's aus. Und ich heiratete eine gute Frau aus Capri. Sie ist lange tot.“ „Auch meine Großmutter“ gestand Adda. „Ich habe sie sehr lieb gehabt.“ Der Alte neigte den Kopf. „Man sollte sich schneller entschließen und nicht zu viele Bedenken haben“ meinte sie da heiter und gedachte eines fernen Menschen, dem sie nun selbst etwas „offenbaren“ konnte. 20

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