Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1939

304 Ein Kraftwagen ist keine Luftschaukel. Dieser Wagen war es schon gar nicht. er glitt vorbildlich leicht und ruhig auf der Straße dahin. Dennoch verspürte Frau Torbunt ein würgendes Gefühl im Hals und saß da, die Hände an den Sitz ge¬ krampft, als erwartete sie jeden Augenblick einen Salto. Es kam jedoch kein Salto. Es kam ein Verkehrsschutzmann. An einer belebten Kreuzung sah sie ihn stehen und mit weiß behandschuhten Händen den Verkehr regeln. Nie hatte ein Schupo auf Frau Torbunt derart den Eindruck überwältigender Größe gemacht. „Himmel!“ flüsterte sie. „Er wird dich verhaften.“ „Der Schupo!“ „Wer?“ — 177 „Höhhh .... machte Torbunt, nahm mit Schwung die Kreuzung und hielt unmittelbar neben dem Beamten. „Künigelweg?“ fragte er und beugte sich aus dem Fenster. — zweite rechts — wieder geradeaus!“ „Geradeaus „Danke, Herr Wachtmeister. Vielen Dank!“ „Bitte sehr“, sagte der Beamte und grüßte. Frau Torbunts Herzschlag setzte erst wieder ein, als die Kreuzung ein gutes Stückhinter ihnen lag. Noch einen Schreck hatte sie zu überstehen. Ein Feuerwehrauto kam an ihnen vorübergebraust. Frau Torbunt hielt es, dem Signal nach, für einen Ueberfall¬ wagen und glaubte, er sei hinter ihnen her. Es genügte ihr. Als ihr Mann vor Roehls Häuschen hielt, stürzte sie sich schluchzend in die Arme ihrerFreundin, die sie in der Tür erwartete. „Barmherziger Himmel!“ jammerte sie. „Helft mir doch nur! Otto ist völlig bezecht. Er hat das Auto da gestohlen und „Auto gestohlen?“ fragte Herr Roehl, der hinter seiner Frau stand, tief ver¬ wundert. „Aber wieso denn, Lotte? Das ist doch der Wagen, den Otto vorgestern gekauft hat. Er sagte mir, er wolle dich damit überraschen.“ Torbunt kam äußerst vergnügt den Gartenweg herauf. Es ist nie ganz klar geworden, ob er von seiner Frau erst eine Ohrfeige und dann einen Kuß oder erst den Kuß und dann die Ohrfeige erhielt. Jedenfalls hatte er seitdem ein wunder¬ bares Mittel, seine Frau ein bißchen aufzupulvern. „Lottchen“, brauchte er nur zu sagen, „Lottchen, wann „stehlen wir mal wieder zusammen einen Kraftwagen?“ Die alte Vase Skizze von Eva Gräfin von Baudissin. Adda Fahlung wanderte einsam durch die kleinen steilen Gassen Capris. Bei jedem Durchblick, den die Mündungen schmaler Gartenstege in eine Straße ge¬ währten, stand sie still und sah auf das leuchtende blaue Meer hinunter. Nein, man kannte diese Farben nicht und hielt alle Bilder und Beschreibungen für über¬ sten Schaum¬ trieben, bis man diesen Wechsel vom tiefsten Dunkelblau mit den zarte kronen bis zum nächtlichen Schwarz, auf dem das Mondlicht kleine sich wiegende Silbermuscheln verstreute, mit allen Sinnen genießen konnte. Und jetzt fiel das Schweigen schwer, in Ausrufe des Entzückens, der Begeisterung hätte sie aus¬ brechen mögen. Sich lächerlich machen, sich auffallend benehmen, das verabscheute denn der Süden sie. Aber dem einen, dem sie verwehrt hatte, sie zu begleiten — sollte von ihr allein entdeckt werden —, dem hätte sie nun doch einen Anteil an ihrem Glück gegönnt! Ja, man tut nicht immer das Rechte. Sie wandte sich von der Fernsicht der Nähe zu und streifte mit gleichgültigem Ausdruck die Auslage hinter einem winzigen Schaufenster, das so ungünstig im letzten Haus hier oben eingebaut war. Aber da sie reckte den Hals. Keine Täuschung? Ohne sich zu besinnen, betrat Adda

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