303 Frau Torbunt ist entsetzt! Heitere Kurzgeschichte von Peter Mattheus. Um sieben Uhr sollten Torbunts bei ihren alten Freunden, den Roehls, sein, um mit ihnen gemeinsam den Abend zu verbringen. Um halb sieben war Herr Torbunt noch nicht zu Hause. Merkwürdig! Er pflegte sonst pünktlich zu sein, und der Weg zu Roehls, die draußen in einem Siedlungshäuschen wohnten, war ziem¬ lich weit. Seine Frau begann unruhig zu werden. Als sie ihn endlich — die Uhr im Eßzimmer zeigte genau zwanzig vor sieben — die Wohnungstür aufschließen hörte, eilte sie ihm fertig angezogen entgegen. Bei seinem Anblick stutzte sie, blieb stehen und musterte ihn befremdet. Torbunt trug den Hut verwegen auf die Seite gerückt und sah auch sonst recht unternehmungslustig aus. Sein rundliches Gesicht strahlte. „Hallo — Lottchen“, sagte er vergnügt. „Otto!“ Frau Torbunts Stimme klang durchaus nicht freundlich. „Was ist los dir? Hast du getrunken?“ mit „Aber ...! Wie kommst du bloß darauf?“ kicherte er und machte eine ab¬ wehrende Handbewegung. „Nicht die Spur. „Schäm' dich!“ sagte sie scharf. „Man kommtnicht beschwipst nach Hause, wenn man zum Abendessen eingeladen ist. „Ich schäm' mich aber nicht", sagte Torbunt mit einem Anflug von Trotz, ohne Grundlage innerer Heiterkeit die zu verlassen. „Und beschwipst bin ich auch nicht. nicht.“ Gar „Komm!“ sagte sie. Er hob die Schultern und ging — munter flötend — hinter ihr die Treppe hinab. Unten, auf der Straße, schwenkte Frau Torbunt nach rechts ab, um zur Untergrund zu gehen. Er jedoch blieb stehen und starrte verzückt einen Kraftwagen an, der vor dem Hause parkte. „Nun sieh doch mal“, sagte er und steuerte darauf zu. „Genau der Wagen, den ich mir immer gewünscht hab'! Hübsch!“ Er ging einmal um den Wagen herum und betrachtete ihn von allen Seiten. Dann legte er die Hand auf den Türgriff. Die Tür öffnete sich ohne Widerstand. — „Och nicht abgeschlossen ..., murmelte er. Und in der nächsten Sekunde ehe Frau Torbunt ihn hindern konnte — war er im Innern des Wagens ver¬ schwunden. Sie stand da und sah die offene Tür mit einem Gefühl an, als habe sich die Welt innerhalb der letzten Augenblicke grundlegend verändert. Dann raffte sie sich aus ihrer Erstarrung auf und fand die Sprache wieder. „Otto! Komm sofort heraus! Sofort! Was fällt dir denn ein? Ich „Laß doch mal!“ kam die Stimme von drinnen. „Will doch nur mal probieren, wie man sitzt. Bequem ... sehr bequem .. .“ „Otto!“ „Hm — solltest auch mal probieren.“ Seine Hand erschien in der Oeffnung und faßte nach ihrem Arm. Und da es eine kräftige Hand war, saß Frau Torbunt gleich darauf neben ihrem Mann, und die Tür fiel — aus unerfindlichen Gründen krachend zu. „Hilfe!“ murmelte Frau Torbunt schwach. Neben ihr erklang die freundliche, durchaus heitere Stimme ihres Mannes: „Guckemal —der Zündungsschlüssel steckt.“ Sie sah wie im Traum seinen Finger auf das Armaturenbrett weisen. Dann faßte seine Hand den Schlüssel und drehte ihn herum. Der Anlasser schnurrte und das Brummen des Motors setzte ein. „Um Himmels willen — Otto!“ schrie sie auf. „Du bist ja völlig bezecht! Ich bitte dich — komm heraus, komm gleich heraus! Was wird der Besitzer sagen?“ „Der Besitzer“, sagte Torbunt mit stiller Fröhlichkeit, „kann mich gerne haben.“ Dabei lenkte er den Wagen bereits um die Ecke und gab Gas.
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