Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1939

300 Wäre Parker ein anderer Mensch gewesen — er hätte vor dem kindhaft bittenden Blick des Artisten zurückweichen müssen. Besonders eine vor Beginn der Vorstellung mit einigen Freunden abgeschlossene Wette war schuld — Parker hatte sich verpflichtet, das Glas in seinen Besitz zu bringen, und behauptet, hinter der ganzen Sache stecke ein Spiegeltrick mit einer überaus schönen Frau, der Tochter des Artisten Minotti. Er packte die Handgelenke des Künstlers. Es geschah das Seltsamste, was der Millionär Parker je erlebt hatte, und seit¬ demist er ein völlig anderer Mensch. Zu hören war ein ganz leichter und schwebender Schrei von einer unbeschreiblichen und unerklärlichen Süße. Ihm folgte ein Klirren, wie beim Zerbrechen dünnsten Uhrglases. Minottis Gesicht wurde weiß, seine Augen bekamen einen starren Ausdruck, seine Hände sanken leblos herab. Feinkörnige Glassplitter fielen zu Boden — der Artist schlug um wie ein ent¬ wurzelter Baum, ohne einen Laut Parker sprang entsetzt zurück, riß die absperrende Kordel vom Gestänge und schrieden plaudernden Menschen zu: „Einen Arzt — einen Arzt!“ Doktor Jellicoe, der unter den Gästen weilte, konnte nur noch den Tod des Künftlers feststellen: „Herzschlag, vermutlich!“ Unbegreiflich blieb, daß zwischen den verstreuten Glassplittern nicht der geringste Schimmer einer blauen Tanzpuppe zu finden war— noch unbegreiflicher, daßMinottis Hände blutüberströmt waren, obgleich das hauchdünne, von ihnen zerdrückte Glas ihnen nicht die geringste Verwundung zugefügt hatte. Stimme, Tanz und Tänzerin des Zauberglases waren ins Nichts geflohen Parkers Gäste unterhielten sich noch auf der Heimfahrt über die Vorgänge. Professor Lambertin erklärte bedachtsam: „Wir haben hier, so vermute ich, einen der ungewöhnlichsten Fälle von Selbsthypnose und Massensuggestion. Mit einer fast ans Religiöse grenzenden Selbsttäuschung hat Minotti sich selbst das Traumbild jener singenden Tänzerin eingebildet, bis seine Augen sie sahen und durch ihren hypnotischen Reflex auch die Zuschauer getäuscht und gebannt wurden.“ — Im Hause des Millionärs Parker brannte im Hauptsaal Licht. Es fiel über das bleiche Gesicht des auf den Marmorplatten liegenden Minotti und auf die rund um ihn zerstreuten Glassplitter. Parker kroch auf den Knien von Glassplitter zu Glassplitter. So fand ihn Kommissar Harris. Als er den Millionär anredete und ihn vom Boden aufhob, hielt der ihm die funkelnden Kristallteile unter die Augen. „Was ist das, Mister Parker?“ fragte der Kommissar. „Wissen Sie es nicht?" Der Millionär starrte den Beamten ungläubig an. „Das Wunder, Harris — das Wunder, das sich in der Hand eines Menschen immer nur einmal vollendet und mit keinem Geld der Welt zu kaufen ist. Bewahren Sie sich einen dieser Splitter zur Erinnerung auf und denken Sie jedesmal, wenn Sie ihn betrachten, daran, daß er einmal Teil jenes unglaubhaft Vollendeten war, an dem das Leben und Herz eines Mannes hing! Als es zerbrach, blieb auch sein Herz stehen — können Sie nun begreifen, warum die Splitter kostbar sind?“ Heiteres „In meinem Beruf weiß man nie, was ab!“ Entsetztfährt Mutti empor und läßt morgen kommt.“ ihre Näharbeit den Boden fallen. auf „Nanu, sind Sie vielleicht Minister?“ „April, April“, ruft Hans, „hereingefallen!! „Nee — ich schreibe die Wetternachrichten.“ Er ist ja gar kein fremder Herr, es ist ja bloß Papa!“ 4 Die Mutti sitzt bei einer Näharbeit im Wohnzimmer. Plötzlich kommt der kleine Der InhabereinesSpeiselokals ließ ein Hans atemlos hereingestürmt: „Mutti, hör großes Plakat am Fenster anbringen: „Hier mal ich hab' ein Geheimnis!“ wird mit Liebe gekocht. „Ach, — und darf Mutti es nicht wissen?“ „O doch, Am anderen Tage hatte die Konkurrenz nämlich draußen sitzt ein fremder Mann in auf der anderen Seite ein Plakat angebracht: der Küche und küßt unser neues Fräulein „Hier wird mit Vorliebe gegessen.“

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2