294 Block Viertannen gibt ein Zeichen Erzählung von Heinrich Zerkaulen. Der aus Bonn stammende Dichter hat in den letzten Jahren mit seinen Bühnenwerken „Jugend von Langemarck", „Sprung aus dem Alltag“ und „Der Reiter“, der nun von mehr als fünfzig Bühnen gespielt wird, bedeutende Erfolge errungen. Von seinen Romanen und Novellen seien hier „Strom der Väter“, „Spitzweg¬ gasse“, „Rautenkranz und Schwerter“, „Blau ist das Meer und „Anna Sigrid“ erwähnt. Der Wärter von Block Viertannen fuhr wie vom Donnergepolter eines Ein¬ schlages aus tiefem, traumlosem Schlaf auf. Stille war um ihn, eine fast körper¬ liche Stille, als er jetzt aufrecht im Bett saß, sich die Augen reibend. Hubert Trunk, der Wärter von Block Viertannen, spähte und horchte. So war es schon damals gewesen, da er als blutjunger Soldat die Sache mit dem Bunker zu überstehen hatte. „Hauptsache bleibt, die Lage erst einmal richtig zu beurteilen“ war des Unteroffiziers Pankrazius Gött erste Warnung gewesen, wenn das junge Gemüse aus der Heimat mit Kopf und Kragen durch den Beton wollte bei solch einem Einschlag. Natürlich, er hieß nicht umsonst Pankrazius. Ein derartiger Name verpflichtete zu Ruhe und Gelassenheit, ein wenig auch zu einer Privatverbindung mit den himmlischen Heerscharen. Mochten die Franzmänner von drüben funken, solange sie wollten, Unteroffizier Pankrazius Gött hatte noch jedesmal seine Bunkermannschaft heil im Graben abgeliefert. Doch Hubert Trunk mußte feststellen: diesmal war er ohne eigentlichen Grund aus tiefem Schlaf aufgefahren. Nichts blieb übrig von einem mutmaßlichen Ein¬ schlag. Die Lage war durchaus normal. Neben ihm schlief die Frau, ruhig und mit offenem Mund, die Arme vor sich gleich einer Wiege zusammengelegt. Sie war schön anzuschauen, die schlafende Frau. Ihr Kopf neigte nach der Seite, dem Mann abgewandt, dem Kinderbett zu, als wolle ihr Atem noch über das schmale Holzgestell hinstreichen, darinnen Pankrazius lag. Pankrazius. Die Sache mit dem Bunker nämlich, die wäre am Ende Ja — noch schief abgelaufen, damals, als es wie mit Keulen auf sie einschlug. Als sie glaubten, ersticken zu müssen vor Hitze und Durst in dem elend verqualmten Loch, als sie, dem Ende nahe, die Gasmasken herrunterreißen wollten, weil doch alles aus war da hatte Unteroffizier Gött seelenruhig seine Pistole gezogen und mit seinem Rüsselgesicht unverkennbare Zeichen gemacht. Sie saßen mitten im Salat, ahnten nicht, daß die Sturmwelle schon über sie hinweggefegt war, bis Unter¬ offizier Pankrazius Gött den Kopf hinausstreckte, um die Lage richtig zu be¬ urteilen. Da stellte es sich heraus, daß zwar der Bunker vergast war, daß aber sonst keine Laus sich blicken ließ, dieweil die Herren Franzmänner leicht¬ sinnigerweise ohne Verbindung nach hinten im ersten deutschen Graben saßen. Na, das war eine Sache gewesen, die Uebereifrigen in die Zange zu nehmen, nicht nur den Tod im Bunker zu überlisten, auch noch den Fetzen deutschen Grabens zurück¬ zuholen. Hubert Trunk gehörte zu jenen Menschen, die solchem Geschehen ein langes Gedächtnis bewahren. Der erste Junge mußte nach dem Unteroffizier Gött ge¬ nannt werden: Pankrazius. Zugegeben, es war ein verrückter Name und gänzlich aus der Mode gekommen. Der Name sprach sich zu lang aus, die Zeit war ungeduldig geworden. Dennoch, die Lage schien richtig. Hubert Trunk, der Wärter von Block Viertannen, lächelte: Für den ersten Jungen mochte der Name sogar richtig sein. Der Name würde dem Pankrazius vor den noch zu erwartenden Brüdern eine Art moralisches Ueber¬ gewicht geben. Seit jener Bunkernacht war das zu gewissen Zeiten wieder über den Hubert Trunk gekommen, das plötzliche Aufgerissenwerden aus einem traumlosen, tiefen
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