Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1939

292 hier im Spiele gewesen, hing man ein Bild mit den vierzehn Nothelfern an den Stamm eines Baumes.“ Wir gehen durch einen Weidgattern und wandern einige Minuten noch auf grüner, sonniger Flur, dann stehen wir auf der Paßhöhe zwischen Stürzberg und Lirker=Kogel, wo sich das Sträßlein über die jenseitigen Hänge hinabwindet in das Mühlbachtal. Hier steht das Bauernhaus „Gruber im Brand“. Wir sind nahezu am Ziele unserer Wanderung, denn zum Gipfel des Lirker=Kogels, wohin wir gehen wollen, sind es nur noch einige Minuten. Doch wir wollen hier ein wenig verweilen. Das Bauernhaus „Gruber im Brand“ ist gleich seinem Nachbarhaus „Holzer ein uraltes Haus; es würde vieles zu erzählen wissen, wenn es reden könnte. Im mittleren Tennbaum in der Scheune ist die Jahreszahl 1686 eingeschnitzt. Es soll einst ein Pflegerhaus gewesen sein und den Pfleger, der zugleich Richter war, beherbergt haben. Nahe beim Hause ist eine drei Joch große Wiese, die „Bur¬ wiese“ genannt wird, jedenfalls aber richtig „Burgwiese“ heißt. Wir sehen, daß dieses Haus am Lirker=Kogel in alter Zeit eine gewisse Bedeutung gehabt haben muß. Vor dem Hause steht die weit und breit bekannte „Wildalm=Kapelle“. Der Name „Wildalm“ mag bedeuten, daß in alter Zeit in diesem Revier, zu dem auch der Lirker=Kogel gehorte, von der Burgherrschaft Steyr, der auch die meisten Bauern dieser Gegend abgabe= und zinspflichtig waren, Wild (Hirschen und anderes Getier) gehegt wurde. Von der Wildalm=Kapelle reden heißt die Geschichte einer alten Statue erzählen. Sieist kurz folgende: Anton II. Spindler von Hofegg, der von 1615 bis 1642 Abt im Stifte Garsten war, bestellte, so wird erzählt, für die Stiftskirche, und zwar für den „Altar der sieben Schmerzen Mariens“, eine lebensgroße Statue der Schmerz¬ haften Mutter Gottes, eine sogenannte Pietà. Als im Jahre 1677 die alte Stifts¬ kirche niedergerissen wurde, um einer barocken, zweitürmigen Kirche Platz zu machen, wurden auch zwei Altäre, und zwar der Altar zu den sieben Schmerzen Mariens und der Kreuzaltar, abgebrochen und in die Pfarrkirche übertragen, wu sie solange verblieben, bis auch diese Kirche im Jahre 1792 abgebrochen wurde. Die Altäre wurden anderwärts verwendet. Die Statue der Schmerzhaften Mutter Gottes des Schmerzenaltares wanderte auf den Dachboden der im Jahre 1787 aufge¬ hobenen Stiftskirche. Aus irgend einem Grunde kam der Besitzer des Bauernhofes „im Brand“ in die Nähe dieser Statue, die ihm gefiel. Er bat den Pfarrer Josef Plersch, späteren Stadtpfarrer von Steyr, ihm die Statue zu geben, die er auch bekam. Das war im Jahre 1836. Für diese Statue erbaute der Besitzer am Strä߬ lein vor seinem Hause eine Kapelle. Bald wurde das Volk auf dieses merkwürdig Gnadenbild auf freier, sonniger Höhe aufmerksam und in Scharen kamen Wall¬ fahrer von allen Seiten zur „Schmerzhaften auf der Wildalm“; sie opferten nicht nur Krücken, wächserne Hände und Füße, sondern auch Kerzen und Geld. Die Kapelle war an manchen Tagen von Devotionalienbuden förmlich umlagert. Das Erträgnis dieser Wallfahrt aber machte den Bauern übermütig; er protzte, daß er mehr Most ausschenke als sämtliche Wirte der großen Gemeinde Garsten und die vielen Opferkerzen im Kuhstall gar nicht verbrennen könne. Das kam dem Garstene Pfarrer zu Ohren. Dieser schickte eines Tages um 1850 herum einen mit Pferden bespannten Wagen zur Kapelle, um die Statue von dort weg und nach Garsten zu bringen. Die Sage weiß nun zu berichten, daß die Pferde nicht von der Stelle wichen, als Zeichen, daß sich die Gnadenmutter nicht von der Stätte trennen wolle. Richtig wird sein, daß die Leute das Fuhrwerk nicht wegfahren ließen. Nun schickte der Pfarrer sechs handfeste Zimmerleute zur Kapelle. Diese trugen unter Wehklagen und Widerspruch der Bevölkerung die Statue hinunter ins Tal zur Enns, luden sie auf ein Floß und brachten sie so nach Garsten, wo sie im mittleren Seitenaltar, gegenüber der sogenannten „Ketzermuttergottes“ aufgestellt wurde und heute noch dort zu sehen ist. Der Künstler der lebensgroßen Statue, die ganz der Schmerz¬ haften Mutter Gottes in der Wallfahrtskirche Adlwang gleicht, ist nicht bekannt. Auch die Sage hat Besitz ergriffen von der Kapelle und dem Haus „im Brand“ So erzählt man, daß über diese Kapelle einst die wilde Jagd hinweggegangen sei.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2