Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1939

228 Zwischen den Flüssen, auf Niederterrassenschotter, liegt auch der herrliche, nach eng¬ lischem Vorbild angelegte Schloßpark mit einem innerhalb einer Stadt gewiß seltenen Eibenhain, ferner die Promenade mit der vermutlichen ehemaligen Gerichtslinde und gegen Südwesten auf einer unbedeutenden Zwischenterrasse Schloß Vogelsang und die „Industriehalle“. Am Fuße der Christkindlleite, einer Hochterrasse, liegt der Steyr¬ talbahnhof, bei dessen Grundlegung ein Mammutstoßzahn gefunden worden ist. (Ein — leider schon arg zersetzt 84 Zentimeter langes Stoßzahnstück dieses Eiszeitelefanten konnte vom Verfasser vor einigen Jahren nächst der Ennsleitenstiege gehoben werden.) Die Schmalspurbahn führt einerseits in die größtenteils mit Auen und Wiesen bedeckten Jung¬ schotter und =sande (Alluvionen) der Steyr gegen Westen, anderseits an dem Deckenschoiter¬ vorsprung der Quenghofleite und der Hochterrasse des Fuchsengütls, an der ehe¬ maligen Reithofferschen Gummifabrik und der Brotfabrik vorbei und hinab in die tiefer gelegene Garstener Talbucht, deren Boden den Alluvialschottern zuzurechnen ist. Um so steiler erhebt sich darüber die Hochterrasse der Garstener Höhe; die Niederterrasse sehlt hier stellenweise ganz. (Siehe Profil III.) Die Steyrtalbahn überschreitet zwischen Neulust und dem schönen Barockbau des Quenghofes den kleinen Teufelsbach, der seinen Namen wegen seines „jähen Temperamentes“ erhalten hat. Er kommt aus dem tertiären Sandstein im Südwesten und nähert sich auf dem Boden eines sehr anmutigen Tales der Stadt. Ursprünglich wandte er sich bei Neulust östlich, durchmaß den sogenannten „Hundsgraben“ und mündete unter¬ halb der ehemaligen Zugbrücke des Neutores in die Enns, weshalb es dort noch heute „Reichenschwall“ heißt. Später wurde er nach Norden beim Schlößchen Engelsegg über einen vorhängenden Niederterrassenfelsen zur Steyr abgeleitet, wodurch der seltene Fall eines künstlichen, aber durchaus schön und natürlich anmutenden größeren Wasserfalles ge¬ chaffen wurde. Ueberschreiten wir bei Engelsegg die Teufelsbachbrücke, so gelangen wir aufwärts zur Hochterrassenkante der Christkindlleite, von wo sich ein vorzüglicher Ueberblick auf Steyrdorf eröffnet. Sein flacher Teil an der Talsohle ist von Alluvialböden der Steyr gebildet, von künstlichen und natürlichen Flußarmen in Inseln zerteilt und jetzt größtenteils mit alten Fabriksobjekten und zum Teil schon neuen Arbeiterhäusern bedeckt. Ehemals wucherte hier ein üppiger Auwald, von dessen schöner Vegetation noch die Reste der Steyrer Auen im Westen eine Probe geben. Von den Auwäldern hat sich sogar im Eysnfeld selbst noch ein letzter Riese in Gestalt einer mächtigen Schwarzpappel bei der Schwimmschule er¬ halten. Nahe dieser Stelle ist das Gerinne des Wehrgrabens und die späteiszeitliche Steyr hat hier den Schlier angeschnitten.*) Darüber liegt die sogenannte Buckliche Wiesen, ein altes Rutschterrain, das heute noch von der Besiedlung ausgespart worden ist. Die Hauptverkehrsader Steyrdorfs, die Sierningerstraße, führt auf Resten der Niederterrasse; von der Hochterrasse ist nicht viel mehr als eine niedige Zwischenstufe er¬ halten, dagegen erheben sich die Steilfelsen des jungen Deckenschotters vom Dachsberg hoch über Steyrdorf und tragen an ihrer Südkante einen schönen Fußweg mit dem Rest eines einst mächtigen Eichenbestandes (daher wohl der Name „Aichet"). Nördlich des Dachsbergs erstreckt sich das neu einverleibte Stadtgebiet Stein. Im Westen liegt tiefgründiger Verwitterungslehm. Einige Ziegeleien verwerten diese 3 bis 5 Meter tiefen Lehmlager. Die nordwestlichste Lehmgrube schließt in der Nähe des Waldes bereits geschichteten Schlier auf. Der Weiler Stein liegt an der Grenze von Hochterrasse, Decken¬ schotter und Schlier; Gleink hingegen im Ostteil der großen Schlierdurchragung von Etzengarn (vielfach auch Wolferer Wald genannt), von dessen Waldrändern eine herrliche, noch viel zu wenig gewürdigte Rundsicht vom Flachland der Ennsmündung bei Mauthausen bis zu den Ketten des Sengsengebirges und des Traunsteins möglich ist. Die gegen Gleink abfallenden sanften Tälchen sind für die Schlierlandschaft besonders bezeichnend, ebenso die feuchten Wiesen bei Gleink mit Wollgras, Wiesenknopf und prachtvollen Feder¬ nelken.**) Die steil begrenzte, lehmbedeckte Hochterrasse im Nordteil der Stadt trägt das Schnablentor, die Artilleriekaserne und den Friedhof, das originelle Krematorium und den hart an die Südecke gebauten zierlichen Taborturm, zu dessen 10 Füßen die Michaelerkirche, der Vorstadtpfarrhof und die Oberschule (ehe¬ maliges Staatsrealgymnasium) auf einem Niederterrassenrest stehen. Von hier, etwas an¬ teigend, führt die neue Michael=Blümelhuber=Straße, an dem ehemaligen „Meisteratelier Blümelhuber“ vorbei, zur Hochterrasse mit der Kaserne an der Ennserstraße. Die Enns beschreibt *) Man kann seine weichen hellblaugrauen Massen in der Nähe der Färberei unter den dunkelgrünen Rasen von schwimmendem Hahnenfuß deutlich wahrnehmen. **) In Niedergleink entspringen einige gute Quellen, die in der Arbeit Dr. J. Schadlers (Landesmuseum) über unsere Grundwasserverhältnisse besonders hervorgehoben sind.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2