Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1938

370 Wabi ins Feuer gegangen ist. Und dann sagt er: „Du, Roserl, kannst bleiben auf — wir können uns auch zwei Töchter leisten!“ unserm Gute Das Dirnlein aber bleibt nicht mehr. Arbeiten kann es und mutig ist es auch. So verdingt sie sich ganz gut und über ein paar Jahren holt der Dixenbergersohn die Roserl heim. Nachbarin ist sie von der Pfaffenhoferin. Die Gretl hat ihnen nicht viel Freud und Dank eingebracht. Für die Bäuerei bin ich nit! — hat sie immer gesagt und so hat ihr Mann verkauft und ist in die Stadt hinein. Nobel ist sie in die Welt, nobel ist sie dort verstorben! — Das hat die Pfaffenhoferischen recht tief zur Erde niedergebogen. Erst später hat man erfahren: damals hat ein Bursche, dem die Gretl vorher einmal viel, viel Aussicht auf die Heirat gemacht hat, den Hof angezündet. Jetzt hat sie viel Rederei gebracht. Das hat den Bauern weiß gemacht. Die Bäuerin wird alleweil runzeliger und elender. Mit einem Tag holen sie die Roserl auf den Pfaffenhof hinüber. Die Bäuerin liegt im Sterben. Roserl gibt der Kranken die letzte Pflege, gibt ihr das letzte Kreuzerl auf die Stirne und küßt die Hand der sterbenden Mutter voller Lieb und Gutheit. „Dixenberger,“ sagt dann der alte Pfaffenhofer, „wie wäre es denn, wenn du mich in deine Stube hocken tätst lassen? — Mein Hof ist dein Hof und ich danke deinem Weibe doch so viel! So ist denn das Roserl doch noch einmal Pfaffenhoferin geworden. Der alte Bauer hockt in der Stube oder vor dem Hause und lacht still für sich hin, wenn die Schar Kinder zu seinen Füßen herumtollt. Ja, ja, da ist das Greterl, da das Roserl, da das Waberl und da — da muß er doch lachen: nicht einmal merken tut man sich in den alten Tagen die Namen der Kleinen — wurlen alleweil durch¬ einander, so daß man sie doch alleweil wieder vertauschen muß. Auch die Bäuerin lacht: sie weiß allein, wie Gott es gut aufnimmt, wenn man dulden und schweigen kann, auch wenn es ein wenig schwer fällt. Nastjenkas Lied. Von Josef Robert Harrer. Unaufhörlich fiel der Schnee. Wie ein dichter Vorhang wallte es vom Himmel nieder. Auf den Straßen kam man nur mühsam weiter; es war, als lebe man auf einer anderen Welt. So viel Schnee hatten die Franzosen noch nie im Leben gesehen. Und dabei hatte der Dezember erst begonnen. Moskau lag hinter ihnen. In diesem frühen Winter des Jahres 1812 war endloses Elend über das Heer des großen Kaisers gekommen. Der unerwartete Winter in dem fremden Land, Schusse aus dem Hinterhalt, Kälte und Sturm machten aus dem flüchtenden Heere armselige Haufen, die sich auf verschneiten Wegen drängten. Geschütze blieben wie Leichen am Rande der Aecker liegen. Ermattet und verzweifelt sanken die Soldaten hin, sie verdarben. Seit Wochen war das Heer in Auflösung, seit Wochen strebte der Zug nach dem Westen. Tote säumten den Weg. Der große Napoleon schien aus seinem glühenden Machttraum zu öder, armseliger Wirklichkeit erwacht zu sein. Am vierten Dezember bekam Leutnant Grigorij Rakusow den Auftrag, auf dem besten Pferde des Regimentes nach Wilna zu reiten, sich dort mit einer ver¬ borgenen Abteilung russischer Soldaten zu vereinigen und den Kaiser der Franzosen gefangenzunehmen. Durch Spione und Beobachter hatte man erfahren, daß Napoleon allein in einem Schlitten vor seinem Heere auf der Flucht war. Bereits am sechsten Dezember konnte er Wilna erreichen; denn er hatte ausgezeichnete Pferde. Leutnant Rakusow mußte schneller sein; er kannte die Wege und Ab¬ kürzungen; er war der tollste Reiter des Regimentes. Der Oberst umarmte und küßte ihn; er sprach:

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