Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1938

368 Und doch vermeint Roserl, daß der Blick der Mutter auf ihr nie so zart und gut geruht hat, wie auf der hochfahrigen Dirne. So gut und so lieb, so geduldig... und die Waberl ist doch ihre Mutter. Roserl ist doch ihr Kind, warum ist sie dann so anders, so ganz anders zu der stillen Magd? Die Waberl ist zu allen gut. Die Waberl ist immer still und besinnlich. Die Waberl steht oft und versinnt sich ganz voll Liebe, wenn die Gretl in der Stube hockt und zum Spinnrad singt. Dann ist die Waberl voll Glückseligkeit. Dann hebt sie gar an zu erzählen und still für sich hinzulachen. Und dann wieder, wenn die Dirne schroff und kalt gewesen, ist das Herzeleid der Waberl so groß, wie sonst nie! Roserl denkt auch jetzt: das möchte ich einmal erfahren, was es um die ist! zweiDa werden vor dem Hause Stimmen laut. Durch den Hof rennen Leute. Ehe die zwei Weibsleute einen Blick gewechselt haben, reißt ein Bauernbursche noch Nachbarschaft die Stubentür auf. Einen Schrei tut er: „Feuer!“ der Die Waberl und ihre Tochter wissen für einen Herzschlag nicht, wie ihnen ist. Sie horchen nur. Der Bub aber schreit wieder: „Derweil die zwei da herinnen „ hocken, brennt Haus und Hof ab! — Hinaus mit euch! Die Alte kann vor Schreck nicht gehen. Der Bub nimmt sie unterm Arm und führt sie hinaus. Roserl wankt voran. Im Hofe stehen Leute. Rote Feuerschwaden schlagen nieder. Jetzt geht ein Sturm und das ganze Dach ist eine Feuerschlange. Die Leute schreien. Die Rinder brüllen. Ein paar Männer reißen die Schweine aus den Ställen. Die Tiere wollen justament dem Feuer zu. Schnee schaufeln die Leute in die Glut. Die Wassereimer nützen nichts, Alles ist verfroren, alles ist verschneit. Wie die ersten Dorfleute heraufkommen, bricht gerade die Scheune nieder. Im Stalle prasselt es und ein stinkiger Rauch bricht heraus. Es ist wirklich ein großes Schwein in das Feuer gerannt und jetzt verkohlt es. Das Dach des Hauses steht wie rotes Gerüste da. Himmelhoch flackern die Feuergarben. Roserl will die Mutter in einen geschützten Winkel setzen. Die aber humpelt auf einmal auf und davon. Mit einem ist sie im Hause. „Die Waberl verbrennt!“ schreit ein Bauer. Die Feuerhitze läßt ihn aber nicht mehr folgen. Roserl will nach; Männer halten sie zurück. Sie sinkt in die Knie, schlägt die Hände zusammen und immer wieder ruft sie: „Mutter! — Mutter! Und noch einmal tritt die Waberl unter die Tür. Hundert Hände strecken sich ihr entgegen. Da bricht der Dachstuhl nieder. Feurige Balken sausen nieder. Nieder — nieder auf die Steinstufen vor dem Haustor — nieder auf das auf den Schnee Weiblein. Männer rennen zu Hilfe. Auf ein Bündel Briefschaften und eine Tasche ist die Waberl hingefallen. Schier leblos liegt sie dort. Männer tragen sie jetzt fort. Zum Nachbar hinüber. Jetzt ist auch der Pfaffenhofer schon zurück. Im Hofe steht er. Noch einmal will er ins Haus. Wie ein Stier brüllt er auf. Nur die Stämmigsten vermögen ihn zu halten. Sie, die Pfaffenhoferin, schreit und flucht und betet durcheinander. Ganz von Sinnen ist sie. Und die Gretl kirrt und heult. Sie weiß: jetzt ist alle Freud und alle Aussicht auf die gute Heirat davon. Jetzt ist der reiche Pfaffenhofer über ein — arm! — Unausdenkbar ist für paar Stunden zum Bettler geworden. Bettler! — sie, die reichste und verwöhnteste Höferische weit und breit, jetzt arm Gretl das: gegen die und elend!? Aller Haß richtet sich gegen die zwei Haushüterinnen — Wabi und die Roserl! Dieweil der Pfaffenhof noch leuchtet und prasselt, stapft der Dorfpfarrer zum sterbenden Waberl herauf. Ein Halterbub war so gut und hat den geistlichen Herrn geholt. Die Kräfte der Alten verfallen rasch. In dem Bette der Bäuerin vom Dixen¬ berger liegt sie. Die Männer haben sie in der Eile hereingelegt. Die Roserl sitzt daneben. Die kalten Hände der Bewußtlosen streichelt sie. Und immer wieder muß meine Mutter ist im das Dirnlein denken: meine Mutter ist im Sterben — Sterben und sie scheint mir so fremd — so fremd wie früher nie! — Herrgott, vergib mir dieses Denken, aber ich weiß nicht —

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