Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1938

367 auch möglich, daß die Katze des Hausbesorgers ——Ja, bestimmt! Ich sah, wie sich die Katze zufrieden putzte. Und einige Federn lagen im Hof.“ Abends verlangte Trude nach dem Hühnchen. Mama sagte: „Das Hühnchen ist fortgeflogen, Trude. Es war ihm eben zu einsam bei uns. Du bist doch ein gescheites Mädchen, Trude, das mußt du auch verstehen! Das Hühnchen braucht andere Hühnchen zur Unterhaltung. Es ist gerade so wie bei dir. Du spielst ja auch gerne mit anderen Mädchen, nicht wahr?“ Trude sah sie groß an: „Fortgeflogen? Können Hühner so weit fliegen, Mami?“ „Ja, wenn sie Sehnsucht nach anderen Hühnern haben, dann schon, mein Lieb¬ ling „Und die Schlange? Wird das arme Hühnchen nicht den Weg verfehlen und zur Schlange fliegen? O, das wäre schrecklich, Mami! „Nein, Trude, der Mann mit der Schlange ist ja fortgereist!“ Da lächelte Trude glücklich und sagte: „Gott sei Dank! Dann bin ich beruhigt. Dann kann ja mein armes Hühnchen von der Schlange nicht mehr gefressen werden. Und bei den Hühnern, wo jetzt mein Hühnchen ist, wird es ja gut aufgenommen sein, Mami, nicht wahr?“ „Ja, sehr gut, Trude. Es wird ihm dort besser gehen als bei uns; denn dort hat es ja Spielkameraden . . . Und nun schlaf, mein Engel! Und lächelnd schlief Trude ein. Sie träumte so schön von dem armen Hühnchen, das von keiner bösen Schlange mehr gefressen werden konnte. Um den Pfaffenhof. Erzählung von Hans Thalhammer. Der Pfaffenhof steht tief eingewintert. Der Schnee türmt sich über die kleinen Fenster hinauf. In der Stube brennt Licht. Der Herd tut allen warm. Freilich, heute brauchte er der Bäuerin und ihrer Tochter nicht warm machen. Die zwei Weibsleute rennen von der Stube in die Kammer und von der Kammer in die Stube — seit Mittag schon. Und die Mutter mustert unentwegt an ihrer Tochter herum. Sie, die rundliche, trotz der ersten weißen Fäden noch immer lebensfrohe Bäuerin und ihre schneidige, seit dem Sommer her an den reichsten Bauernburschen der Umgebung verlobte Gretl — sie fahren heute zum Tanz hinab ins Dorf. Und die Gretl dreht sich und schupft sich und steht dann wieder mitten in der Stube. Alle müssen ihr sagen, ob ihr das steht und ob das fesch ist und ob das zu ihren Haaren paßt und ob das vielleicht die Grabenhofer Leni auch so trägt. Tausend Fragen und tausend Antworten schwirren durcheinander. Dann steht der Bauer breit und wuchtig da und lacht: „Na, hochfahrig und gschaftig sind meine Weiber nit! —“ Nach einer Weile geht er langsam in den Hof, wo die Rösser schon am Schlitten klingeln. Die Weibsleute wirbeln hinterher. Noch gibt es ein paarmal ein Zurücklaufen und ein Hinundherlaufen und dann fahren die Pfaffenhoferischen davon. In der Stube aber steht jetzt die Waberl und schaut nach dem Dirnlein, der Roserl, das jetzt ein Scheit in den Herd schiebt. Dem Weiblein kugeln ein paar Tränen über die runzeligen Wangen. Sagen tut das Weib nichts... kein Wörtel. Ganz müde läßt es sich jetzt auf einen Lehnstuhl nieder. Es faltet die zittrigen Hände. Seine Mundwinkel fiebern. Ja, ja, wenn man durch Krankheiten schnell alt geworden ist — ja, ja, wenn man halt arm ist! Roserl kniet jetzt zu Füßen der Frau. Ihre Hände legt sie auf die des Weib¬ leins. Für einen Herzschlag finden sich die Augen der beiden. Wenn die Bauers¬ leute großes Leid oder große Freud erfahren, dann reden sie nichts. Sie wissen und denken das gleiche: die Bäuerin ist laut und scharf, Gretl aber ist stolz und befehlerisch. Wie sie gleich aufschreit, wenn es nicht nach ihrem Begehr geht! Wie sie selbst der Bäuerin oft zu arg wird! — Mag es ihr der Herrgott nicht übel anrechnen! — Aber...

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