Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1938

358 Die Steyrer Wirtsschilder. Von Studienrat Professor G. Goldbacher. Es dürfte wohl kaum eine Stadt in deutschen Landen geben, welche, auf ver¬ hältnismäßig engem Raume zusammengedrängt, das heißt, auf wenige Gassen ver¬ teilt, eine so große Anzahl von künstlerisch wertvollen Wirtsschildern besitzt wie unsere liebe Heimatstadt Steyr. Es sind rund dreißig an der Zahl, wobei aber zu bedenken ist, daß noch so manches schöne Schild im Museum auf seine Wieder¬ anbringung wartet, und andere, wie sie aus den interessanten Zeichnungen des berühmten Franz Hölzlhuber zu ersehen sind, überhaupt spurlos ver¬ schwunden sind. Wenn wir die verschiedenen Stile*) studieren, in welchen das seinerzeit so blühende Kunstgewerbe die Wirtsschilder geschaffen hat, so muß festgestellt werden, daß aus der Zeit der Gotik uns gar keine Arbeit mehr erhalten ist; vielleicht war jener Zeit auch die Herstellung künstlerischer Wirtsschilder noch nicht üblich. Erst zu die Renaissancezeit, die ja in unserer Stadt durch schöne Baudenkmale vertreten ist B. Innerbergerstadel), schuf eine Reihe schöner Schilder, von denen wohl das (3. älteste am seinerzeitigen Gasthaus „Zum weißen Lamm“ (heute Fleisch¬ hauerei Pollack), aus der Mitte des 16. Jahrhunderts stammend, uns die prächtigen Formen der Hochrenaissance zeigt. Pichlers Ledererschild weist uns in seinen einfachen, aber guten Linien fast noch in die gleiche Zeit. In die Epoche der Spät¬ renaissance, also etwa in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts, versetzen uns die Schilder „Posthorn“ in der Enge, die edle Arbeit der „Drei Hufeisen“ am Grünmarkt, die gediegenen Formen des Blechschildes „Zum goldenen Kreuz“ in der Pfarrgasse, das „Weiße Kreuz“ und „Die Taube“ (letztere besonders schön) in der Haratzmüllerstraße, die ausgezeichnete Arbeit am „Grauen Hechten“ und die einfache, aber charakteristische Darstellung beim „Goldenen Stern“ in der Gleinkergasse sowie das Blechschild „Zum Elefanten“ am Grünmarkt. Man muß es wohl sehr bedauern, daß der liebe alte Brauch, die Gasthäuser nach ihrem Schild zu nennen, zum Beispiel „bei den drei Rosen einzukehren, „beim Bären einzustellen“, fast ganz verschwindet, denn wie beim Bauernhause der Haus¬ name das Bleibende und Bodenständige ist, so auch bei den Wirtsschildern, deren Namen oft auf eine ruhmreiche Hausgeschichte hinweisen, während die Namen der Besitzer oder Pächter gerade bei den Gasthäusern sehr häufig wechseln und sehr bald vergessen werden. Nach dieser kleinen Abirrung kehren wir wieder zu unseren schönen Schildern zurück. In die Zeit des Barock= und des anschließenden Rokokostiles, also in das 18. Jahrhundert, sind ihrer Entstehung nach zu rechnen der „Rote Krebs“ am Stadtplatz, der edle „Grüne Kranz“ am Grünmarkt, die ebenso schöne Arbeit bei der „Goldenen Sense“ in der Sierningerstraße und das liebe Schild der ehemaligen Lederei Dellinger in der Haratzmüllerstraße. In der sogenannten Biedermeierzeit, also in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, entstanden die meisten Wirtsschilder in Steyr: der „Goldene Löwe“ (Bummerl), die „Drei Rosen“ und die „Drei Alliierten“ am Stadtplatz, der „Schwarze Bär“, der „Vogel Greif“, das „Faßl“ (Fabriks¬ straße), der „Adler“ in der Kirchengasse, der „Grüne Baum“ in der Gleinker¬ gasse, die recht originelle „Goldene Sonne“ in der Sierningerstraße, der „Goldene Engel“ in der Schuhbodengasse und die naive Biedermeierarbeit „Zur blauen Kugel“ am Wieserfeld sowie das in diesem Stile gehaltene „Nachtwächter“=Schild des Steyrer Kripperls (neue Arbeit). Damit kommen wir schon in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, also zu den „erst“ ungefähr hundert Jahre alten Wirtsschildern, wie z. B. die „Goldene *) Einschlägige Mitteilungen erhielt ich durch Baumeister Franz Stohl.

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