380 Komödie der Irrungen. Skizze von Grete Schoeppl. Wie es schon einmal die Tücke verschiedener Objekte haben will, erstreckte sie sich diesmal auch auf Personen, und zwar auf eine ganze Reihe derselben, ohne von ihrer Eigenschaft, eben Tücke der Objekte zu sein, etwas einzubüßen. In diesem Großstadtbezirk, der wie ein abgeschlossener Marktflecken anmutete, gab es eine ganze Reihe von Geschäftsleuten, Handwerkern und dergleichen, an deren unumgänglicher Notwendigkeit nicht im mindesten zu zweifeln war. Nur konnten sich neu hinzukommende Bewohner dieses Viertels etwas schwer mitden Namensverhältnissen der Leute hier vertraut machen; denn der Bäcker hieß Fleischer, der Schneider Schuster, der Fleischhauer wieder Greißler, der Greißler Tischler, der Schuster Hobler und der Tischler Schneider. Der Barbier hieß Wirt und der Gasthausbesitzer Drechsler, der Drechsler hin¬ gegen Kellner und der Kellner Klempner. Der Klempner hieß Kaffeesieder und der Cafétier an der Ecke Töpfer. Der Baumeister hieß Schlosser, der Gemeindearzt Patzer und der Schinder Doktor. Das einzig Treffende daran war, daß der Zahnarzt Reißer und der Inhaber einerWaschanstalt Bader hieß, während dies umgekehrt immerhin zu Bedenken hätteAnlaß geben können. Zum Verdruß oder vielmehr, weil Gegensätze einander anziehen, übersiedelte Frau Vogel, die sehr passend zu ihrem Namen eine Federnschmückerei betrieb, in diese Gegend. Ihr kleiner, kaum siebenjähriger Sohn Walter mußte alles Gewünschte zu¬ sammentragen. Da gab es nun eine heillose Verwirrung. Denn wenn ihn seine Mutter um Semmeln schickte, kam er mit einem Paar Würstel, die alten Kleider gab er dem Schuster in Reparatur, den neuen Tisch bestellte er beim Greißler, das Bier holte er beim Friseur und der Gastwirt erhielt dafür eine Drechslerarbeit¬ bestellung. Den alten Topf gab er dem Kellner zum Flicken und beim Klempner verlangte Walter einen frischen Kaffee für seine Mutti, aber recht heiß und nicht zu dunkel. Frau Vogel aber ging es nicht viel besser; denn als sie mal den Doktor brauchte, da lief sie zum Schinder; denn sie konnte doch keinen Patzer für ihr Kind holen. Daß da etwas nicht stimmen konnte, war klar; jedoch erst so recht kam ihr dies zumBewußtsein, als sie zum erstenmal ihre zum Reinigen gegebene Wäsche aus der Waschanstalt holte; denn die war an manchen Stellen ganz zerrissen, obwohl dieWäscherei nicht Reißer, sondern Bader hieß. Hingegen behauptete der kleine Walter, der ein Zähnchen beim Doktor Reißer lassen mußte, daß der Zahnarzt seinem Namen wenig Ehre mache, weil er dreimal mit der Zange habe ansetzen müssen und sehr ungeschickt im Zahnziehen sei, wes¬ halb er eher den Namen der Waschanstalt verdient haben würde. Nun, Frau Vogel war von all diesen bedingten und unbedingten Irrtümern ganzzermürbt, aber sie waren schließlich noch zu ertragen. Als aber der Begleich für eine von ihr gelieferte Federnsendung nicht ihr, sondern einer Frau Fischer ausbezahlt wurde, so war dies doch für sie zu stark. Nur mit Mühe konnte sie erreichen, daß ihre Reklamation von Erfolg begleitet war, denn selbst die behördlichen Organe jenes Bezirkes waren von dem Gedanken nicht abzubringen, daß, wo der Bäcker Fleischer, der Schneider Schuster, der Schuster Hobler und der Tischler Greißler hieß, eine Frau Vogel nicht ganz richtig Federn¬ schmückerin sein könne. Erst als Frau Vogel erfahren hatte, daß sich der Geldbriefträger Wirrkopf nannte, blieb sie; denn da würde er, wo alle Namen täuschten, dennoch das Richtige treffen.
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