378 als starke Prellung, ohne daß ein Glied zerquetscht worden wäre. Mariedl hatte bereits Verbandzeug und allerlei Hausarzneimittel bereitgestellt und mitsammen verbanden sie den Burschen, der alsbald ins Bett geschafft wurde. „Vielen Dank, Herr Doktor,“ sagte Mariedl mit einem frohen Blick. Der Engelhofer streckte dem Sommergast, der sich als Retter in arger Not erwiesen hatte, wortlos die schwere Bauernhand zu. Fest drückte sie der Arzt. Abends, als Mariedl noch zufällig mit dem Doktor im Hausflur zusammentraf, meinte sie scheu, aber bestimmt: „Herr Doktor, ich weiß gewiß, unser Engel verlaßt uns nit!" Er Sie suchte nach Worten. Er sagte heiser: „Sind Sie uns noch bös, Fräulein — wissen ja, wegen des Vorjahres, als das Spottwort über den Engel fiel?“ Lange standen sie schweigend voreinander. Der Arzt spürte die Inbrunst des Mädchens, das sich für seinen guten Engel wehrte wider die Pfeile der Fremde. „Nein, sagte sie leise, „wir vom Engelhof glauben halt felsenfest an den Engel, fragen Sie nit, warum, vielleicht aus einer großen heiligen Liebe heraus, die wie ein Flügel über uns steht. Das Wissen drum ist so schön!“ ** * Stundenlang saß der Sommergast auf seinem Malplätzchen und arbeitete am Gemälde des Engelhofes. Sicher und klar, vom Zauber der frischen Naturschönheit überzittert, entstand das Bild auf der Leinwand, das alte Dach und der silberne Brunnen, die spiegelnden Scheiben und prachtvoll der Engel, der den Hof be¬ schirmte. Dann und wann blieben vorbeitrabende Touristen, die in die Schroffen aufstiegen, hinter dem Maler bewundernd stehen. Dr. Schwab gab sich mit einer glühenden Inbrunst diesem Bilde hin, das zur großen Staatsausstellung eingereicht werden sollte. Bevor das Gemälde verpackt wurde, bestaunte es Mariedl nochmals in einem geruhsamen Stündlein, Zug um Zug nachspürend. Fast unhörbar trat der Maler ins Zimmer. Er beugte sich über das Mädchen und sagte herb: „Ich möchte Ihnen gerne, Fräulein, wenn das Bild von der Ausstellung zurückkommt, Ihr Heimatl schenken. Es soll Ihnen eine kleine Freude machen, gelt?“ Entzückt sprang sie auf. „Viellieben Dank, Herr Doktor, das verdiene ich ja gar nit; mein Gott, wird der Vater eine Freude haben, wenn das Bild unsere Stube schmückt! Ich freue mich so drüber, hoffentlich bringt es Ihnen auf der Ausstellung einen schönen Erfolg!“ Kaum hatte der Doktor das Bild zur Bahn geschafft, da überfiel ihn der heiße Wunsch, das Mädchen der Berge zu malen, heimliche Liebe stieg in ihm auf und er wußte klar, mit diesem schlichten und beseelten Mädchenbildnis würde ihm ein großer Wurf gelingen. Der Engelhofer brummte zwar ein bißl über die Flausen des Doktors, mein Gott, wenn es schon nit anders geht —man ist ihm doch zum Dank verpflichtet, er hilft allenthalben so tapfer mit, erst vorgestern haben sie ihn gegen Mitternacht zur Holtecker Leni geholt, die in den Wochen lag — ja, und der Pfarrer hat auch gemeint, ob nit der Herr Doktor, der doch Maler wär, etliche Kreuzweg¬ bildl auf dem Kalvarienberg neu malen möcht, durch die Mariedl hat der Pfarrer die Zusage des Doktors rasch gekriegt, wie es eben geht, man braucht überall eine gute Zag, sinnt der Engelhofer, und dann schwatzt die Engelhoferin des Nachts wenn schon alles in den Betten liegt, etwan noch ein paar Wörtl, wie gut sich der Herr Doktor mit dem Dirndl verstünd, und die Leut' hätten ihn auch lieb, redet man rundum, so einer, sagte gar der Bürgermeister, sollte als Gemeindearzt bei uns hocken bleiben, eine Wohltat wär's! Mariedls Bild entstand binnen kurzer Zeit. Es brauchte kaum drei, vier Sitzungen, der Doktor malte wie aus dem Gedächtnis. Niemand sah das Bild auf dem Engelhofe. Nur Mariedl durfte das Konterfei besehen, der Doktor ersuchte zu¬ vor, ob er ihr Bild — trotz allem — nicht dem Preisrichterkolleg einreichen dürfte. „Es wird mein großer Erfolg,“ sagte er weich und zart und dabei nahm er ihre Hände an seine Brust und flüsterte nur den einen Namen seiner Liebe: „Maria!“ Eine ganz große Sehnsucht und Liebe zur Heimat ist in ihm aufgebronnen, stark und groß, „Du, Maria! Ich glaub' an den Engel, willst du dich mit mir freuen, Maria, immer freuen?“
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2