377 Donnerstag früh. Mariedl richtete eben die Jause zusammen, die Leut' waren draußen beim Kornschnitt, das lose Kindsvolk hatte sich auch hinausgetollt. Sie riegelte das Tor ab und stapfte unter dem Anger hin. Die Hühner stoben gackernd um sie her, fernab erscholl eine Kühglocke, das Vieh tummelte sich heute auf der Bergweide droben, nur von einem Huterbuben betreut. Als Mariedl über das Stiegl kletterte, schritt ein Fremder grad den Rain herauf und hielt auf den Engelhof zu. Mariedl erschrak. Mein Gott, wenn das unser Sommergast ist! Sie stellte den Mostkrug nieder, wischte sich die Finger an der Schürze ab und lugte mit emporgehaltener Hand zum Fremden nieder, der gelassen Schritt vor Schritt setzte. Sie begann schier ein bißchen zu zittern, als sie — merkte nein, nein, es konnte keine Täuschung sein. Froh rief sein Gruß zu ihr her: „Grüß Gott, Fräulein!“ Sie lächelt verwirrt zu ihm auf. „Grüß Gott,“ sagte sie leise und legte ihre Hand in seine feste, abgegerbte Mannshand. „Ich freu mich ——2“ — schon auf mein Sommerstübl im Engelhof. „Sie sind also wirklich „Das ist mir furchtbar peinlich, Fraulein, Sie dadurch so zu erschrecken. Ja, ja, ich freute mich sehr, als der Vorstand des Fremdenverkehrskomitees mir von der Zusage der Engelhofer=Leute schrieb. Ich hoffe auf einen schönen, ertragreichen W Sommer.“ „Weiß nit, ob Sie zufrieden sein werden, im Stübl ist alles so be¬ scheiden eingerichtet, aber die Landschaft, Herr Doktor, liegt weit vor Ihnen offen, Gott selbst hat sie Ihnen dargebreitet, da Sie doch malen wollen, gelt?“ Sie äugte neugierig den Bergsteigerrucksack ab, den der Sommergast trug. „Ihre Eltern haben gewiß abends einen Knecht frei, der mir vom Bahnhof den Koffer holt, dort ist mein Malkram eingepackt, zwei, drei Bilder möchte ich gerne schaffen, zumal in drei Wochen die große Staatsausstellung beginnt. Aber ich halte Sie nun schon so lange hin, Ihre Leute warten ja sehnsüchtig auf die Jause, nicht wahr?“ Sie nickte und bat ein bißchen verschämt: „Möchten Sie nit so lieb sein und unterweilen au mich warten, flugs bin ich wieder zurück und dann können Sie im Engelhof ein¬ ziehen!“ Er hockte sich auf den Wiesenrain und schaute dem flinken Mädchen nach, das den Schnittern die Jause zutrug. Weit und fein, wie ein Geschenk, lag das Tal¬ becken vor seinen Blichen, leichte Wolken kräuselten sich im Südwesten zusammen, als wollte es abends ein Gewitter geben. Geruhsamer Friede atmete ringsum und —weckten nur die Stimmen der beiden Frauen — es waren Mutter und Tochter den großstadtmüden Träumer, der an den freien Sommertagen den Pinsel führte und im wintergrauen Alltag, tagaus, tagein, an den Betten eines Krankenhauses Dienst tat, aus seinen stillen, ausruhenden Gedanken. Zu dritt schritten sie dem Engelhofe zu, wo der Sommergast das blühweiße, vom Gesprenkel eines nahen Nußbaumes durchwürzte Stübchen bezog, sich dem Frieden der Bergheimat, seiner herben Schönheit und seinen blonden, treuen Menschen anheim gebend. * * * Nachmittags. Unheimlich wuchsen die schwarzen Wolken zu einem unheil¬ schwangern Bausch zusammen. Blitze zischten dann und wann herab, Schwüle lag auf Mensch und Getier, Blume und Stein. Der Bauer riß, in Schweiß gebadet, die Oechslein aus dem Stall, das geschnittene Korn vor dem Unwetter, das Hagel verhieß, zu retten. „Ich helf' gerne,“ sagte Dr. Fritz Schwab, der Sommergast, als die Leut' wie kopflos herumschossen und Fuhre um Fuhre ins Tenn zerrten. Schon schwang er sich auf die Fuhre und reichte mit raschen Stößen die Garben auf die Böden hoch, droben mußte sich Mariedl tummeln, dem fleißigen Darreicher die Birl zu räumen. Schon peckten die ersten Schloßen nieder, Blitzte grellten schwefel¬ gelb wie Säbelhiebe herab und der Donner rollte und grollte unsagbar schaurig. Der Engelhofer stund wie gekreuzigt, raffte die letzten Garben zusammen und riß die scheuen Oechslein heimzu, die letzte Fuhre rettend. Der Doktor und das Ingesind mühten sich drum, drängten die Fuhre unters Dach — da geschah ein kleiner Unfall, der Hüterbub kam mit dem Fuß zu knapp unters Rad, ein Schrei und schon sank der Bursch zusammen. Der Arzt trug den Wimmernden flugs in die Bauernstube, entfernte den Schuh und untersuchte die Verletzung. Zum Glück erwies es sich bloß
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