Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1937

267 die aus ihrer Begeisterung für heimisches Brauchtum, Volkslieddichtung, für Mund¬ art und bodenständiges Wesen überhaupt kein Hehl machten und unablässig dafür warben und arbeiteten. Was früher verhältnismäßig nur in engerem Kreise Er¬ kenntnis und Ziel war, erfaßt nun schier lawinenartig immer größere Arbeits¬ gemeinschaften und erfährt endlich erfreulicherweise auch Billigung und Förderung übergeordneter Stellen, so vor allem die durchgreifende Einsetzung der Heimat¬ kunde in den Mittelpunkt des Volksschulunterrichtes, was einem ersten und überaus wertvollen Samenkorn gleicht, das in die jungen Herzen gelegt wird Es wird und muß allgemeine Erkenntnis und Ueberzeugung werden daß Mundart und echtes Volkslied sich zur hochdeutschen Schriftsprache und zum Kunstlied verhalten wie die köstlich duftende Walderdbeere zu ihrer größeren Schwester, der Gartenerdbeere, denn zuerst war Mundart und Volkslied, verwurzelt und verankert in jahrtausendealter Kraft und Schönheit, und daraus erst ent¬ wickelte sich, verhältnismäßig spät, Schriftsprache und Kunstlied, das nun im Riesen¬ bau deutscher Dichtung und Musik gipfelt. Und haben nicht oberösterreichische Händler ihre jahrhundertealten Landlerweisen nach Wien gebracht und hie¬ durch den Grund gelegt zum weltumspannenden Wiener Walzer? So ist vor mehr als hundert Jahren wertvolles Volksgut zum Samenkorn eines mächtigen früchteschweren Baumes geworden. Es ist gewiß richtig, daß das Volk nur Musik gänzlich in sich aufnimmt und weiterbehält, welche sozusagen ins Gehör geht und ins Gemüt. Das erstere tun allerdings auch die sogenannten modernen „Schlager“, wenn ihr Wortlaut auch oft anrüchig und dumm ist. Wenn aber, wie jetzt in vielen Ländern, das boden¬ ständige Volkslied gepflegt, in Arbeitsgemeinschaften erlernt („Wir lernen Volkslieder") und der Jugend nahegebracht wird, so ist zu erwarten, daß es infolge seines edlen Gehaltes an Wort und Ton die Schlagerwelle verdrängen und endgültig siegen wird. Aehnlich verhält es sich mit den schönen uralten Volkstänzen aller Stämme. Wie man in der trostlosen Zeit im letzten Zehntel des vorigen Jahr¬ hunderts sich über die alten Bräuche, Volksheikmittel und Volkstrachten lustig ge¬ macht hat, so geschah es auch den alten, von Geschlecht zu Geschlecht überlieferten Volkstänzen, die höchstens mit einem spöttischen Achselzucken bedacht und übersehen wurden. Jetzt aber wissen es die Heimat= und Volkskundler schon sehr wohl zu schätzen und ihre Augen öffnen sich weit und sehnsüchtig, wenn sie in den alten Volkstänzen gleichsam den Ernst einer Kulthandlung wittern, die ja tatsäch¬ lich in vielen Werbe= und Balztänzen schlummert. Schon findet man sich zu Volks¬ tanzkursen zusammen, reichhaltige Sammlungen (R. Zoder!) beweisen die Fülle und Mannigfaltigkeit der Volkstänze und wir hoffen die Zeit noch zu er¬ leben, da sie sich, wie anderswo, auch bei uns die Tanzsäle erobern und den fremden Tänzen den Fehdehandschuh mit Erfolg hinwerfen werden. Ist's nicht, als ob über alle Länder ein Hauch volksbewußter, heimatlicher und daher vaterländischer Besinnung schwebe? Die Jugend empfindet diese Welle am ehesten und tiefsten und sie wird in ihrer Begeisterung alle mit sich reißen. Wir aber haben die Aufgabe, die Größe und Weihe der entscheidenden Stunde nicht zu übersehen und müssen dieser Herzenssendung den richtigen Inhalt geben und vor allem die Wege weisen, welche zu einer dauernden Belebung und Er¬ haltung unseres Volksgutes führen. deren Erfüllung und Zehn Gebote sind es, die ich nun aufstellen möchte für welche die gerade Einhaltung durchaus im Bereiche der Möglichkeit liegt und ür die volkstümlichen jetzt vorhandene günstige Einstellung maßgebender Faktoren es außer diesen zehn soll. Allerdings gibt Belange raschestens ausgenützt werden Geboten noch viele andere Mittel und Wege zur Erreichung des großen Zieles, allein wir wären glücklich, wenn diese zehn Wünsche in Erfüllung gingen. Hier sindsie: In den Bildungsstätten für Gesangslehrer an Mittel= und 1. Hochschulen (Musikakademie) muß Bedeutung und Pflege von Volkslied und Volksmusik gelehrt und praktisch vorgeführt werden.

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