Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1937

262 Landschaft, Wirtschaft und Vogelschutz. Von Prof. Dr. Heinrich Seidl, Steyr, Korrespondent der österr. Zentralstelle für Denkmalpflege. Zwei der köstlichsten Gottesgaben sind unserem Land in hohem Maß beschieden, Schönheit der Landschaft und Reichtum der Bodenerzeugnisse. Aber gerade diesen Schätzen, die uns im Wettbewerb mit anderen Völkern unentbehrlich sind, drohen in immer steigendem Ausmaß die Schädlinge in Wald und Feld, vor allem der Insektenfraß. Die Gründe hiefür liegen zu einem großen Teil in der Veränderung der Landschaft durch die Kultur, die eine recht gefährliche Einseitigkeit mit sich ge¬ bracht hat, die „Einheitspflanzung", d. h. der Mensch war bestrebt, auf möglichst großem Raum jene Pflanzenart anzubauen, die ihm den größten Nutzen versprach. Dadurch trat eine nicht geringe Störung im Naturgleichgewicht ein, die Schädlinge unserer Nutzpflanzen vermehrten sich, die Schädlingsfeinde aber: die meisten Vögel, die Fledermäuse, die Igel, Maulwürfe, Spitzmäuse, Kröten, Eidechsen, Schlangen nahmen gewaltig ab. Wollen wir also unsere Bodenerträgnisse erhalten und wo¬ möglich noch steigern, so bleibt uns nichts übrig, als die uns von der Natur selbst gegebenen Bundesgenossen in jeder Hinsicht zu schonen, zu schützen und zu fördern. In diesem Sinne sei heuer an dieser Stelle wenigstens ein kleiner Auszug aus dem Kapitel Vogelschutz gebracht. Dabei wollen wir aber nicht vergessen, daß der Stand¬ punkt „nützlich oder schädlich“ nicht allein entscheidend sein soll, denn wer wäre so stumpf oder hart, daß ihn nicht Anblick und Gesang des Vogels erfreute! Nun mag uns ein Beispiel aus der reichen Erfahrung des Vaters des gesamten Vogelschutzes, des Freiherrn von Berlepsch, den Zusammenhang von Vogel und Landschaft erweisen. Berlepsch hatte in der Erkenntnis, daß bei der heutigen rationellen Waldbewirtschaftung vielen wertvollen Vögeln die Nistgelegenheiten entzogen werden, diese Störung des Naturgleichgewichtes dadurch auszugleichen ver¬ sucht, daß er in seinem großen Waldrevier über 2000 künstliche Nistkasten für Meisen und Spechte anbringen ließ. Der Lohn blieb nicht aus. Im Jahre des großen Raupenfraßes 1905 blieb das Berlepsch=Revier vollkommen verschont und hob sich von den umliegenden zerstörten Waldungen „wie eine grüne Insel ab. Erst etwa einen halben Kilometer jenseits der Grenze machten sich die ersten Spuren eines Fraßes bemerkbar, nach weiterem halben Kilometer war er aber bereits in vollem Umfang eingetreten.“ be¬ Dieser Fall — und viele ähnliche Beispiele könnten angeführt werden — weist uns folgendes: 1. Der „Wald“ war ein gepflanzter Forst und bestand aus einer einzigen Baumart, der Eiche, darum konnte der Eichenwickler sich unbeschränkt ernähren, vermehren und den ganzen Wald vernichten. 2. Meisen und Spechte und andere Höhlenbrüter sind ein durchaus wirksamer Schutz gegen Insektenfraß. 3 Im Einheitsforst, wo nur gesunde Bäume geduldet werden dürfen, also die Nist¬ gelegenheit fast fehlt, werden künstliche Nistkasten mit der Zeit unentbehrlich. Was für den Wald gilt, ist auch für Obstpflanzungen vielfach erprobt worden. So schreibt Frh. v. Berlepsch aus seiner langjährigen Erfahrung heraus in seinem Hauptwerk „Der gesamte Vogelschutz": „Wo die meisten Bäume schon unter dem Schutz der Vögel aufgewachsen sind, habe ich seit vielen Jahren stets die gleiche gute Obsternte. Die Herstellung von Nistkasten für Höhlenbrüter ist für einen, der mit Säge, Meißel und Hohleisen gut umzugehen weiß, nicht schwer. Ueber Aussehen (Längs¬ durchschnitt), Größenverhältnisse in Bezug auf die Bewohner, Nistort und Höhe gibt die beigefügte Bildtafel Auskunft. Sehr wesentlich für das Vertrautwerden des Vogels mit der künstlichen Nisthöhle und seinem Wohlbefinden darin sind noch folgende Umstände: 1. Die Nistkasten dürfen bei Wind keine Eigenbewegung machen können, daher sind sie mit der senkrechten Haltleiste oben und unten mit starken Nägeln oder Schrauben an der Stütze (Hausmauer, Baum) zu befestigen. Senkrechte Stangen haben meist wenig Erfolg, da sie bei Wind zu sehr schwanken.

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