Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1936

376 Nun waren sie zu Hause. Und schon stürzte die vierjährige Liesel heraus mit lautem Jubelruf! Er hob das Kind hoch, küßte es zärtlich. In die offene Tür trat die Mutter mit dem Kleinsten auf dem Arm. Mit liebem Lächeln und innigem Blick begrüßte sie den Gatten. Das Kleinste aber strampelte und lachte hellauf, als es den Vater sah, reckte mit beiden Aermchen nach ihm, so ungeduldig, als wollte es der Mutter vom Arm springen. Lächelnd nahm der Vater den kleinen Kerl und ging mit ihm hinein. Setzte sich und ließ ihn hoch in die Luft tanzen, daß er aufjauchzte vor Lust. Die Mutter sah stillselig ein Weilchen zu. Doch dann nahm sie ihm das Kind wieder ab. „Nein, mein Bub, Vater ist jetzt zu müde. Erst muß er sich ausruhen. Zwar protestierte der Kleine mit heftigem Geschrei —aber das half nichts. Nun wurde der Vater von den Seinen umsorgt und umhegt. Liesel kam mit den Pantoffeln gelaufen; Heinz war schon dabei, ihm die Schuhe auszuziehen. Ilse deckte eifrig den Kaffeetisch, während die Mutter den duftenden Kaffe aufschüttete. Und es war nicht anders, als sei ein König in sein Reich heimgekommen und alles bestrebe sich, ihm zu dienen und ihm alles Liebe zu tun. Und der Vater selbst? War das noch derselbe Mann, der so zusammengesunken und gleichgültig dagesessen hatte? Ach, das alles war verflogen. Er war daheim — bei seinen Lieben... denen er Haupt und Mittelpunkt und Schützer und Halt war! Und die ihm alles bedeute¬ ten. Für die er gern jedes Opfer brachte! Daheim in seinem kleinen Königreich! Wenn beim harten Tagewerk und dem kargen Lohn sein Mut auch oft tief sank... die Zukunft wie ein hohles Gespenst vor ihm sich reckte — ja, da konnte ihn aus grauer Verzweiflung nur noch der Gedanke an sein geliebtes Weib und die Kinder emporreißen. Dann fuhr er zusammen. .. griff mit erneuter Kraft die Arbeit an.Und sehnte sich im geheimen den ganzen Tag nach dem Heimweg. Nicht als ob ihm die Arbeit eine widerwillig getragene Last bedeutete! Oh, für die Seinen hätte er gern Tag und Nacht geschafft. Aber —die Zeiten waren schwer; vieles Harte mußte ertragen werden, um nicht den Erwerb völlig zu verlieren. Aber daheim, da war man ein König. Da war der schlichte Arbeiter der Herr und geliebte Träger der Familie! Und darum ging ihm das Herz auf, wenn er in sein Königreich trat. Und darum tat es ihm wohl, von den Seinen mit so großer Liebe erwartet und empfangen zu werden. So ließ er sich auch heute umhegen und zärtlich betreuen von Frau und Kindern. Seine Augen bekamen wieder ihr Leuchten. Beglückt hörte er dem drol¬ ligen Geplauder der Kinder zu. Das Jüngste hatte er auf dem Schoß. Der kleine Schelm krähte vor Vergnügen und zerzauste dem Vater das Haar. Und Vater hielt geduldig still und strahlte vor Freude Wenn dann die Kleinen alle zu Bett gebracht waren, setzte seine Frau sich zu ihm mit ihrer Näharbeit, denn bei den vielen Kindern und dem geringen Verdienst hieß es, alles bis aufs äußerste ausbessern und mit sehr wenigem haushalten. Aber sie tat es gern und klaglos; sie war eine tüchtige Hausfrau, eine rechte Kameradin, die gute und schlimme Zeiten mit dem Manne, den sie liebte, teilte. Dann nahm er wohl ihre Hand, sah ihr liebend in die Augen und sagte still: „Sag, Elisabeth — sind wir nicht doch glücklich bei all dem Leid und all der Sorge? Glücklich in unserer Liebe? Und— Gott dankbar für unsere herzigen Kinder?“ Er reckte die Arme. „Solange ich von unserem kleinen Reich nur die Not fernhalten kann, soll mich nichts niederbeugen! Und die blasse Frau mit dem starken Herzen und dem nimmermüden Opfersinn ließ für einen Augenblick die Arbeit sinken, legte den Kopf an seine Schulter und flüsterte: „Ja, Liebster, du hast recht. Und in diesem kleinen Reich bist du der König! „Und du bist die Krone, meine Elisabeth,“ lächelte er gerührt und küßte sie. „Komm, laß uns noch an die Bettchen der Kinder treten!"

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