Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1936

371 „Ja, ja, Müller, nach Salzburg, da tätest mir schon recht ins Herz sehen, bitt' gar schön. Soll allerhand schöne Sachen, wie die Leut' erzählen, Merkwürdigkeiten geben da droben.“ Mithin war es ausgeredet, der Nikl von der Aist wollte den Schneider Much am Pfingstsonntag nach der herrlichen Fremdenstadt führen, auf daß er dort des heiligen Sakramentes der Firmung teilhaftig werde. Not hätte es dem Much wahr¬ haftig schon lange getan, den Geist der Erleuchtung zu empfangen, denn bezüglich Verteilung geistiger Fähigkeiten hatte ihn die Vorsehung ziemlich stiefmütterlich behandelt. Schon in der Schule hatte der Lehrer sein geschlagenes Kreuz mit dem Much, gerade halt, daß es langte, ihm die notwendigsten Begriffe im Lesen, Schreiben und Rechnen einzutrichtern. Etwas beschränkt sei er, hieß es; in der Lehre dann mußte des Meisters Elle zuweilen nachhelfen, um zu bewirken, daß er fachkundig wurde, hing ihm doch nebst seiner Begriffsstützigkeit zum großen Teil ein Maß von Faulheit an. Aber sein gewissenhafter Meister brachte es schließlich doch dahin, den Much zu einem tüchtigen Schneider für die ländlichen Ansprüche heranzubilden. Auf die Wanderschaft war nun der zum Gesellen gewordene Much nie gegangen, sondern übernahm nach dem Ableben des Lehrherrn dessen Werk¬ stätte. Selten kam der Much über den Bereich der Aistgegend hinaus, dayer er auch von der übrigen Welt nicht viel wußte. Am Pfingstsonntag finden wir nun unsere zwei Bekannten in der Bischofstadt Salzburg. Frühmorgens waren sie dort eingetroffen und hatten nun vor allererst Gelegenheit, die Schönheit der umgebenden Bergwelt zu bewundern. Alles lag von blauem, zartem Duft umwoben, die heraufsteigende Sonne küßte die schnee¬ gekrönten Häupter des Watzmann, Hohen Göll und teilweise auch die höchsten Kuppen des sagenumwobenen Untersberg mit purpurnem Rot, die ganze Gebirgs¬ kette schien zu erglühen, ein Anblick, der auch ein weniger poetisch angehauchtes Menschenkind hinziehen mußte zur Schönheit und Erhabenheit der Schöpfung. Der Much war von all dieser Pracht so sehr befangen, daß er wie angeschraubt an einer Straßenkreuzung stehen blieb und Maul und Augen aufriß, als wollte er die Herrlichkeit mit gierigen Zügen in sich hineintrinken. Auf einmal ertönt knapp vor der Straßenbiegung das kurze Warnungssignal eines heranrasenden Autos. Der Herr Göd hat halt gerade noch Zeit, seinen traumverlorenen Firmling auf den Gehsteig zu reißen, sonst wäre weiß Gott was für ein Unglück dem Much passiert, ehvor der Heilige Geist über ihn gekommen. „Jetztund hat's dir aber geraten, Much,“ meint der Nikl belehrend, „weißt, in der Stadt heißt es fein aufpassen von wegen der schnellen Fuhrwerke; kommt alle daumenlang so was eisenbahnerisches dahergerumpelt.“ „Sollen halt aft langsamer fahren,“ erboste sich der Much, „in der Gangart wie dem Herrn Göden sein Bräunerl daheim! „Selbes verstehst du nit. Wenn jeder so langsam fahret, nachher entstund erst Aber jetztund schleunen wir uns, etwa eine gute Kaffeesuppe recht eine Wirrnis. — zu kriegen, hab’ schon einen Mordshunger und dir wird auch ein warmer Löffel gut tun. Zum Schauen und Losen wirst noch mehreres haben in der Salzburger Stadt, soviel, daß dir ganz dämlig wird im Schädel.“ Also stapften sie in ein Kaffeehaus nahe der St.=Andrä=Kirche. Der Much war schon alleweil bei gutem Appetit, betrachtete daher das kleine Schalerl, welches ihnen Markör kredenzte, mit etwas mißtrauischem, verächtlichem Blick. der „Du. .. Ihr seid aber völlig neidig,“ tadelte er, „ist schier eine Fopperei so Tröpferl Kaffee.“ einDer Göd gab ihm einen sanften Rippenstoß, den aber der Much im unrechten Sinne deutete und dem Markör beinahe grob schaffte: „Das Tögerl nimmst wieder mit, ein Häfen voll will ich haben, wie bei der Muatta daheim, verstehst mich!“ „Bitte sehr, sofort will ich eine ganze Kanne voll und die Milch dazu separat bringen,“ nickte der andere lachend. „Du . .. lach nit, a Häfen voll will ich, daß d' es weißt!“ rief er dem Markör zur Bekräftigung noch nach. Nun erst kam der Herr Göd dazu, mit dem Much ein Wörtel zu reden.

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