Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1936

368 Maschinengewehrgeknatter soll die Ruhe der Bergwelt stören, nicht Menschenblut soll ihr graues Felsgestein röten, sondern Friede sei den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind. Dieses Paradies der Bergwelt mit seinen tausenderlei Schönheiten, geschaffen, Ruhe und Frieden in das von der Hast der schnellebigen Zeit müde gewordene Menschenherz zu bringen, dieses Dorado soll nicht mehr der Schauplatz solch grau¬ sigen Geschehens werden, wie es bereits der Fall war. Gott der Herr selbst müßte sonst einen seiner Engel mit flammendem Schwerte auf eine dieser Felszinnen stellen, damit er jeden abwehrt, der Unfrieden sät und jeden vertreibe, der es wagt, die göttliche Ruhe zu stören. Das Haus, in dem ich ein Zimmer miete, schmiegt sich ganz an die Berglehne der sanft ansteigenden, bewaldeten Höhe gegenüber den Dolomiten an. Vom Balkon aus habe ich den vollen Ausblick über ganz Doblach, der Blick weitet sich in hellem Entzücken, nun erst erfaßt das Auge die volle Schönheit des vor ihm ausgebreiteten Tales. Nicht sattsehen kann ich mich an der Schönheit, die mit Worten nicht zu schildern sind, die man nur stumm in sich aufnehmen kann. Stunden der Ruhe folgen, es ist, als stehe der Pulsschlag der Welt stille. Der Abend bringt ein Gewitter, so stark, wie ich es kaum erlebte, mit einem sturzbachartigen Regen; es ist, als ob der Himmel all seine verborgenen Schleusen geöffnet hätte, um alles unter Wasser zu setzen. Blitz um Blitz leuchtet auf, Donner um Donner rollt, grausig schön ist das Naturschauspiel, ein krasses Gegenstück zum sonnenflimmernden Vormittag. Wie die Blitze im bläulichen Schein im Zickzack von Zinne zu Zinne zucken, die nun düsteren Wälder für Momente als drohende Ungeheuer erschienen, wie wie die Bergriesen in unheimlicher Größe himmelan streben; es ist ein Urbild von Kraft Stärke, jedes menschliche Wollen geht unter in dieser grausig=schönen Stunde. und Es war eines der furchtbarsten Gewitter und doch schien am Morgen die Sonne, als ob nichts gewesen wäre. Gierig leckte sie die weißen Nebelschwaden, die die Bergriesen einhüllten, bis sie mit lachender Kraft alle Zacken in neuer Schönheit und klarster Reinheit vor Auge des staunenden Beschauers stellte. das Oben gab es Neuschnee und ein kühles Lüftchen wehte, aber die südliche Sonne hüllt alles in ihre wärmenden Strahlen, die Kühle der Nacht muß weichen und alle Schrecken mit ihr. Die Bevölkerung von Südtirol ist nicht reich! Zu hart müssen sie dem Boden Höhe sind meist noch unentwässerte Wiesen, Frucht abringen. In beträchtlicher die Süßheu ist rar, das Getreide kurz und es reift teilweise sehr spät. Sehnig und das zähe sind auch die Menschen, verwachsen mit dem Stückchen Erde, das sie immer inniger lieben, je härter sie rackern müssen ums tägliche Brot. Dieses Bergvolk werkt in stillem, oft wortlosem Schaffen, ein tiefer Gottes¬ glaube füllt die Herzen, die Gemüter sind voll Zufriedenheit, das Wenige ist den Leuten wertvoller als manch andern das Viele. In einem uralten Bauernhaus suche ich Kraft und Erholung nach mühevollem Aufstieg. Die ehrwürdige Stube atmet Reinheit und Behaglichkeit. Der große Tisch, die herzförmig ausgeschnittenen Stühle, die alte Wanduhr im bis an den Boden reichenden wurmstichigen Kasten, der gewölbte Kachelofen mit der ihn umgebenden Bank, ein paar altersschwarze Bilder, ein paar summende Fliegen in der Stube, das unendlich langsame Tick=tack=tick=tack der Uhr! Minutenlang scheint jedes Tick=tack in der Luft zu hängen oder kommt es nur uns ewig ruhelosen Städtern so vor? Es ist ein förmliches Einspinnen in diese ländliche Ruhe, ein Loslösen vom Täglichen. Wie wundervoll muß es sich in dieser Tiroler Bauernstube sitzen, wenn die Schneestürme des Winters um das einsame, hochgelegene Haus fegen, welch wohlige Wärme mag der bauchige Kachelofen ausströmen, wenn die Bewohner dieser Stube

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