Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1936

360 Die Steyrer Fachstelle für Naturschutz (Obmann: Professor Dr. Heinrich Seidl), welche dem Verein für Denkmalpflege in Steyr (Obmann: Studienrat Gregor Goldbacher) angegliedert ist, hat es sich angelegen sein lassen, auch in dieser so weit verbreiteten Jahres¬ schrift ständig über den Stand der heimatlichen Naturschutzangelegenheiten zu berichten. So sei zunächst erwähnt, daß der an dieser Stelle vom Verfasser im Vorjahre veröffent¬ lichte Aufsatz: „Naturdenkmäler von Steyr und Umgebung“ als Separatdruck mit den darin enthaltenen beiden Tafeln über die gesetzlich geschützten Pflanzen an die Stadtgemeinde, die Bezirkshauptmannschaft, die Schulen, Polizei= und Gendarmeriekommanden Steyrs verteilt wurde. Im Rathaus, auf den beiden Bahnhöfen, ferner auf den nächstgelegenen Schutzhütten wurden die Pflanzenschutztafeln allgemein zugänglich angebracht. Das Stadtbauamt, dem an dieser Stelle der neuerliche Dank für die ständige Hilfe und Mitarbeit ausgesprochen wird, hat, im Einvernehmen mit der Fachstelle, die Spitzpappeln, welche das ehemalige Stadtbild Steyrs so schön belebt haben, wieder angepflanzt, z. B. am Josef=Reder=Weg des Verschönerungsvereines und am Ostende der Neubrücke nächst dem Bergerweg. Das Stadtbauamt hat auch den Besitzern des Fuchsengütels in Sarning (Frau Klackl), des Gasthauses „Kaiser in der Saaß“ (Herrn Ehren¬ huber) und des Wirtshauses „In der Luft“ (Herrn Thanner) die Erwerbung kräftiger junger Pappeln ermöglicht, wodurch diese schönen Orientierungsbäume, welche Alter und Sturm auf den genannten Anhöhen in den letzten Jahren zerstört haben, wieder ersetzt werden konnten. Auch den Besitzern der genannten drei Güter gebührt Dank und Aner¬ kennung, daß sie Arbeit, Mühe und Kosten nicht gescheut haben, um das schöne alte Land¬ schaftsbild wiederherzustellen. Sehr dankenswert ist auch die vom unermüdlichen Vorstand des Verschönerungsvereines Steyr, Herrn Amtsdirektor Landsiedl, angeregte und vom Herrn Friedhofgärtner Aichinger durchgeführte Bepflanzung des neuen Lauberleitenweges mit jungen Legföhren Auch der Besitzer des Braunreithergutes auf der Höhe des Ueberganges nach Ternberg (in dessen Schutz unser größter Schratlbaum steht, der sich seit dem Frost¬ winter recht gut erholt) hat bei seinem weithin sichtbaren Hof und seiner Kapelle ein paar kräftige Pappeln gesetzt. Das nächste große Gehöft, das Wohlfahrtnergut, zeichnet sich durch eine besonders wohlentwickelte hohe Hauslinde aus. Leider mußten zwei von den drei riesigen Straßenpappeln an der Reit zwischen Pichlern und Waldneukirchen aus verkehrstechnischen Gründen fallen; dafür sproßt eine junge Generation aus den alten Strünken längs der Sierningerstraße bei Pergern. Auf der sonst reichlich einförmigen Ennserstraße bei St. Florian und Ebelsberg sind zahlreiche junge Pyramidenpappeln neu gesetzt worden. Im Verzeichnis der Orientierungsbäume sollen noch folgende Platz finden: die zwei Pappeln der Reslhub bei Aschach, dann die vom Mangerlhuberhof und vom Eberlberger nächst „Kaiser in der Saaß“ und eine beim Angerbauerngut be St. Blasien. Streng genommen gehört die Spitz= oder Pyramidenpappel (Populus italica Mch. Populus pyramidalis Rz.) nicht mehr in den Bereich des Naturschutzes, da dieser nur die Erhaltung einheimischer Arten zum Ziel gesetzt hat. — Allein die Spitzpappel —obwoh! vermutlich aus Mittelasien stammend ist seit Jahrhunderten in der Lombardei verwildert und seit der theresianischen Zeit so oft als Orientierungs= Schmuck= und Schutzbaum auf Anhöhen, Landstraßen, bei Herrenhäusern, Schlössern und Gehöften angepflanzt worden, daß sie seit eineinhalb Jahrhunderten zu einem bestimmenden und belebenden Bestandteil der Landschaft, besonders unseres Alpenvorlandes, geworden ist und sich im Volk einer aus¬ gesprochenen Beliebtheit erfreut. —Freilich ist richtig, daß die Pappel viel Ungeziefer be¬ herbergt und mit der großen, flachen Wurzel oft bis in die angrenzenden Felder vordringt Dagegen aber läßt sich einwenden, daß das dichte, aufstrebende Geäste für unsere besten Bundesgenossen im Kampfe gegen schädliche Insekten, die Singvögel, vorzügliche Nist¬ gelegenheit bietet. Was die Wurzeln anlangt, so hat die Pappel auf dem meist ziemlicl breiten, wenig wertvollen Rain zwischen Feld und Straße genug Ausdehnungsmöglichkeit. Ueberdies ist es ja Gott sei Dank uns Oesterreichern angeboren, die Dinge nicht nur nach Nutzen und Geldwert zu schätzen, sondern auch den Gemüts= und Schönheitswert, besonders, wenn schöne, alte Tradition dafür spricht. So dürfen wir der Spitzpappel —wenigstens für unser Alpenvorland—wohl das Bürgerrecht zuerkennen. Wer wollte wohl z. B. bein Rahofergut bei St. Ulrich, beim „Kaiser in der Saaß“ oder „In der Luft“ die bekannten hochragenden Baumgestalten vermissen?! —Schließlich kommt —gerade auf ausgesetzten Höhen — die Pappel als eine Art Blitzableiter in Betracht, denn dank der elektrischen Spitzen¬ wirkung des hohen, schlanken Baumes schlägt der Blitz erfahrungsgemäß viel eher in den Baum, als in ein sonst ungeschütztes Haus. Auch von der viel breiteren Schwarzpappel haben wir auf der Hügelkuppe von Nieder¬ neukirchen eine schöne, die Landschaft bestimmende Gruppe. Ein fast acht Meter hoher

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