Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1936

342 Stadtrichter oblag die Fertigung der Kaufverträge von Bürgerhäusern, Heirats¬ verträgen, Testamenten, Bürger=Abschieden usw. In den Urkunden wird Steyr 1082 erstmalig und als Stadt erwähnt. Der erste Stadtrichter wird aber erst 1180 genannt. Diese Stadt hatte mit dem Steyrdorfe und Ennsdorfe nichts gemein. Wie bei anderen deutschen Städten scheint ihr Machtbereich mit den Stadtmauern geendet zu haben. Nach Prevenhubers Angaben in seinem Werke „Castrum Styriense“ soll die Stadt schon anläßlich der Uebergabe des Herzogtums Steyr an die Babenberger im Jahre 1186 einen Burgfried erhalten haben. Der Umfang dieses Burgfrieds ist un¬ bekannt. Die Geschichte der Stadt meldet aber keine weitere Veränderung der Burg¬ friedsgrenzen, so daß wir annehmen müssen, daß die Grenzen von 1186 die gleichen waren, wie sie die Burgfriedsbeschreibung vom Jahre 1512 uns angibt. Diese Be¬ schreibung sowie die Bittschrift der Bürger an den Kaiser um Bestätigung der Grenzen ist später wiedergegeben. Der Burgfried schloß also die Stadt mit den Dörfern Steyrdorf und Ennsdorf zusammen. Die ansehnliche Vergrößerung der Stadt brachte aber auch viele Schwierig¬ keiten mit sich. Vor allem wäre durch die Erweiterung des Burgfrieds der alten Stadt gegen Garsten und die Steyr zu das Schloß und die zum Schlosse gehörige Hofgasse (ein Teil der jetzigen Berggasse) in das Stadtgebiet gefallen. Die Unmöglichkeit, das landesfürstliche Schloß, den Sitz des Landgerichtes, unter die Jurisdiktion des Stadtrichters zu stellen, führte dazu, dem Schlosse im Stadtgebiet einen eigenen Burgfried zu geben. In diesem Burgfried war offenbar auch Zwischenbrücken ein¬ geschlossen, über welches der Zugang zur Burg führte. Hier hatte also der Burg¬ graf als Vertreter der babenbergischen Herzoge, welche nun die Landgerichtsbarkeit innehatten, die niedere und hohe Gerichtsbarkeit. Noch schwieriger gestaltete sich die Lage am linken Steyrufer. Dieses scheint, soweit der Burgfried reichte, fast zur Gänze der Burgherrschaft grundeigen gewesen zu sein. Erst in späterer Zeit wurden große Grundstücke dem Bürgerspital, dem Bruderhaus und der Stadtpfarrkirche geschenkt. Als Grundherrschaft des Stadlmayrgutes erscheint die Herrschaft Stadlkirchen. Im Aichet stand ein größerer Grund unter den Schecken, welche damit später eine Stiftung ins Leben riefen. Auch das Kloster Garsten hatte kleinere Grundstücke im Besitz, darunter auch jenen, auf welchem das Armenhaus (Herrenhaus) steht. Ueber das ganze Burgfriedsgebiet links der Steyr hatte die Burgherrschaft die hohe oder Blutsgerichtsbarkeit, über ihre Grundsassen vor der Eingemeindung auch die niedere Gerichtsbarkeit. Diese sollte nun vom Stadtrichter, welcher vom Landes¬ fürsten dem Magistrat der Stadt vorgesetzt wurde, ausgeübt werden. Aber auch in Steyrdorf wurden Ausnahmen gemacht: so blieb die Hof= oder Spitalmühle unter der niederen Gerichtsbarkeit der Schloßherrschaft. Sie wollte aber auch die Gerichts¬ barkeit über die ihr untertänig gewesenen Bürgerhäuser in Steyrdorf und Aichet nicht aufgeben, wodurch ein Jahrhunderte währender Konflikt mit dem Stadtrichter und Rat der Stadt entstand. Ennsdorf scheint damals noch eine unbedeutende Siedlung von Fischern und Töpfern auf herrschaftlich steyrischen und gschwendtischen Gründen gewesen zu sein, denn wir lesen in der Geschichte der Stadt Steyr, daß in der ersten Zeit die Rats¬ herren nur aus der Stadt und dem Steyrdorfe gewählt wurden. Hier waren die Fischhuben der Herrschaft von der Gerichtsbarkeit des Stadtrichters ausgenommen. Im Jahre 1287 erhielt die Stadt vom Herzog Albrecht I., einem Habsburger, ein großes Privilegium: die Bürger durften sich aus ihrem Kreise den Stadtrichter selbst wählen. Kein Landrichter durfte sich mehr die Gerichtsbarkeit in der Stadt, Hofmark oder im Burgfrieden anmessen. Mit diesem Privilegium hörten aber die Uebergriffe des Burggrafen in die Gerichtsbarkeit der Stadt keineswegs auf. Wenn dies in der ersten Zeit nicht so

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