Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1936

341 rungen Kaiserin Maria Theresias und Kaiser Josefs wurden daher geschlossene Ver¬ waltungsbezirke geschaffen, welche Kommissariatsbezirke genannt wurden. Ihre Grenzen wurden den bestehenden Pfarrgrenzen angeglichen. Die Stadt wurde ein Verwaltungsbezirk, welcher die Gebiete der Stadt= und Vorstadtpfarre umfaßte. Der erste Begriff einer Gemeinde als einer rein politischen Administrations¬ behörde entstand jedoch erst zur Zeit der Josefinischen Neuregulierung. Um eine gerechte Besteuerung des Grundbesitzes durchführen zu können, wurden die Gemeinden nach geometrischen Linien (Wald=, Acker=, Flurgrenzen) be¬ grenzt, und weil sie das Steuergeschäft zu leiten hatten, wurden sie Leitungs¬ gemeinden zugeteilt. Die Stadtgrenzen waren die des Steuerbezirkes. Als letzte organisatorische Entwicklungsstufe ist die Schaffung der Orts¬ gemeinden nach dem Gemeindegesetze vom Jahre 1849 hervorzuheben. Durch diese Reorganisation ist die politische Verwaltung mit der steuertechnischen auf eine Linie gebracht worden. Das Stadtgebiet war Steuerbezirk und politischer Bezirk zugleich. Durch fünf Eingemeindungen wurde das Stadtgebiet auf seine heutige Größe erweitert. Die erste Entwicklung der Stadt wurde besonders ausführlich beschrieben. Ihr Studium wird es dem Leser möglich machen, die alten Lokalhistoriker Prevenhuber und Pritz mit vollem Verständnis zu lesen. I. Die Entwicklung des Burgfrieds der Stadt. Zur Zeit der Gründung der Stadt war das Gebiet zwischen der Enns und Steyr und auch ein Landzipf nördlich der Steyr und an der Enns bis gegen Kron¬ storf reichend, im Landgericht der Herren von Steyr gelegen. Das Stammdorf dieser Herren war das alte Steyrdorf am linken Ufer der Steyr, deren Wasser sich hier mit dem Ennsfluß vereinen. Ihr Schloß hatten sie dem Dorf gegenüber auf dem rechten Steyrufer gebaut, auf der spitz zulaufenden Schotterterrasse, deren Hänge gegen die Steyr und die Sandbank der Enns steil abfielen. Auf dem rechten Ennsufer, das erst vor wenigen Jahrzehnten (955) den Ungarn entrissen worden war, hatte sich eine Siedlung, das Ennsdorf, entwickelt. Am Fuße des Burgfelsens stand auf einem Grundstück der Volkersdorfer Herr¬ chaft Gschwendt eine kleine Siedlung, aus welcher sich nun die Stadt entwickeln sollte. Sie war im Anschluß an die Burg befestigt, als nun im Jahre 983 auf dem Landtage zu Tulln der Beschluß gefaßt wurde, die Stadt zu erbauen. Die neuen Siedler sollten von den drückenden Bindungen herrschaftlicher Grundholden befreit sein. Dies setzt voraus, daß die neue Stadtsiedlung fest um¬ grenzt war. Vermutlich ist auch damals schon eine Befestigung des Stadtgebietes, wenn auch nur in Holz, entstanden, welche, mit der Verbauung der Stadt schritt¬ haltend, nach und nach in Stein ausgebaut wurde. Es wird kaum mehr möglich sein, Anhaltspunkte zur Bestimmung des ein¬ stigen Grundherrn des ersten Stadtgebietes zu erlangen. Die Annahme liegt nahe, daß es den Anger der Siedlung unter dem Burgfelsen bildete, daher Gschwendtner Grund, war. Die alte Siedlung wurde der Stadt angeschlossen, doch verzichteten die Gschwendter nicht auf ihre Einkünfte (verzickten Dienste) aus derselben. Die Stadtgrenze hatte allem Anscheine nach folgenden Verlauf: Von der Enns zwischen den Häusern Enge Nr. 3 und Nr. 5 hindurch zur Schloßmauer, dieser entlang bis zum Oelberggäßchen, dieses hinunter und wieder hinauf in gerader Richtung bis zur Berggasse, die stadtwärtige Berggassenmauer entlang bis fast zur Mayrstiege, wo sie rechtwinkelig nach rechts zur heute noch teilweise stehenden großen, be¬ ziehungsweise kleinen Stadtmauer abbog. Von hier verlief die Grenze längs der kleinen Stadtmauer bis zum Pfarrhaus, wo sie gegen die Enns nach links abbog. Stützpunkte für diese Annahme bieten die im Grundbuche eingetragenen „ver¬ zickten Dienste“ die Verhandlungen der Stadt mit der Herrschaft vom Jahre 1606 und die Reste der bestehenden Befestigungen. Grundherrin war die „gemeine Stadt“, welche durch den Stadtrichter die niedere Gerichtsbarkeit ausübte. Dem

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