Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1935

375 Zum „Wolfeles Wilden“ ist dann einmal ein Wiltener Pater hinauf, ein junger noch, den der Almweg nicht schwer ankam und nach dem die Leute auch sonst gern hingehorcht haben. Er hat aber bei dem Einsiedl nichts gerichtet. Der Wolfeles Wilde hat die Höttinger Dorfgrenze niemehr überschritten. Aber an den Samstag¬ abenden ging er bis spät in den Herbst hinein zum Großen Gott herab, ein altes Höttinger Wahrezichen. Dort kamen oft an warmen Sommerabenden gar viel Leute zusammen, wenn der Wolfeles Wilde den Samstag=Rosenkranz vorbetete. Nachher gab er für Leutekrank und Viehseuchen mancherlei Ratschläge, teilte Kräuter und Pechsalbe aus. Selten nahm er etwas anderes dafür an wie ein „Vergeltsgott“. Von zwei Geißen und was ein kleines Gärtlein in solcher Höhe hervorbringt, davon fristete er sein Leben. Nie aber kam ein Wort der Anklage, der Verbitterung über eine Lippen, er schwieg sich über beide Toten aus, über die, die er über das Grab hinaus liebte, und über den, der ihm siebzehn Jahre ein ersehntes Glück vorenthielt. Im Spätwinter einmal wurde ein Jäger, der an der verschneiten Klause vorbeiging, durch eine jämmerlich plärrende Geiß aufmerksam gemacht und sah in der Hütte nach. Der Wolfeles Wilde lag bleich und abgezehrt auf seinem Heulager, ein friedfertiges Lächeln in den verwirrten Zügen. Er mag schon zwei Tage tot gewesen sein, die eine der Geißen im Verschlag nebenan war schon eingegangen, die andere sang dem Toten das Klagelied. In schweigender Wintereinsamkeit, am Fuße der sagenumwobenen Frau Hütt, hatte ein Lebensschicksal seinen Abschluß ge¬ funden. So trugen sie den Wolfeles Wilde doch noch einmal in sein Heimatdorf und begruben ihn in nächster Nähe seiner Braut. Daß er auch in der Nähe ihres Vaters war, um das wird er nicht weniger friedlich geruht haben. Zwei alte Bauerngeschlechter waren wieder erloschen, die vielleicht noch weiter blühen konnten. Der Hackenjackl. Der Einsiedl von der Raut draußen. Der Hackenjackl ist einmal ein lustiger, maulflinker Untländer gewesen. Da ist ihm aber in jungen schönen Tagen, zwischen dem zweiten und dritten Aufkünden, sein geliebtes Sistranser Bräutl aus allem Glück heraus gestorben. Er hat sein Hochzeitshemd zu ihr in die Truhe gelegt, das Erbe dem jüngeren Bruder abgetreten und ist draußen in der Raut ein Einsiedler geworden, fast ein wenig nach franziskanischem Muster: allen Menschen und Tieren Bruder und Freund. Er lebte in großer Bedürfnislosigkeit, nährte sich von Beeren und Kräutern, Schwämmen und den paar Staar Erdäpfeln, die er neben seiner Klause anbaute. Das Grab seiner Braut war nie ohne Gruß, ohne ein Zeichen der Liebe von ihm. Im Sommer blühte, im Winter grünte es wenigstens. Der Hacken¬ jackl hatte schon auch seine trüben Tage, wenn ihn das irdische Herzeleid wieder ein¬ mal tüchtig beim Kuttenzipfl erwischte. In diesen Stücken vermochte er sich nie los¬ zumachen von der Welt Freud und Leid, sonst wär' er ja zu den Wiltenern (Kloster¬ brüdern) gegangen. So aber blieb er trotz der erwählten Einsamkeit und Armut doch im Bannkreis der Menschen und ganz besonders im Bannkreis seiner treuen, — Der Hackenjackl war noch lang in der unveränderten Liebe zur toten Braut. Leute Mund, wie er schon Jahre in der Erde moderte und die Geißen auf seiner verfallenen Klause grasten. Manchmal will ein verträumter Hirt auf der Raut draußen ein uraltes, wunderschönes Liebeslied gehört haben. Keiner aber konnte sich Text noch Melodie merken. Wird wohl auch keiner von diesen ein Dichter oder Musiker gewesen sein, sonst hätte er sicher das eine oder das andere behalten. Hoffen wir aber, daß trotzdem das Hohelied der Liebe und Treue des Hackenjackl nicht ganz verschollen bleibt. Ein schönes Geschenk Gei jedem Mndaß ist ein gutes Buch der Vereinsdhuckcei Stei

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