373 ja manchmal in grauen schreien, wollte er nicht daran ersticken. Und manchmal Dämmerstunden, wenn alle Pein, im nüchternen Tageslicht mühsalverkrampft dann, ja dann war es niedergehalten, emporstieg und sein Sinnen umgeisterte ihm gegeben, „zu sagen, was er litt“. Doch dann wurde alles zu einer leidenschaftlichen Anklage; und am Morgen, wenn die rebellische Aufwallung im Alltagsstaub erstickte, dann wanderte das Ge¬ schriebene meist ins Feuer... Bis er sich angewöhnte, seine aus Sturm und Flammen geborenen Kinder noch am gleichen Abend in das Gefängnis einer Post¬ der Mutter, die sendung zu sperren und der Mutter auf das Bett zu legen — morgens früh damit zum Briefkasten hastete, ehe es ihm leid war. Ach, immer wieder umsonst. Albert Steins hob den schmalen Kopf. Die Mutter! Ja, sie glaubte an ihn. Aber Karl, der Bruder? Mußte Albert nicht täglich spöttische, gehässige Worte von ihm einschlucken? Wurde er nicht als überzählig betrachtet, als eine Last, ein un¬ nützes Glied? Warf Karl ihm nicht vor, daß er in phantastischen Dichterträumen angenehmes Schlaraffenleben führen wolle? ein O, wie oft Alberts Zähne aufeinander knirschten in ohnmächtigem Zorn! Wie dieser offene und versteckte Hohn ihn umkrallte! Wie Scheidewasser brannte das in seiner Seele! Verdiente sein ehrliches Ringen, verdiente geistige Arbeit etwa nicht den Namen „Arbeit“? Karl haßte ihn mit fürchterlichem Bruderhaß, das fühlte Albert schaudernd. das einzige Licht in seiner Düsternis. — neidete ihm die Liebe der Mutter Karl Albert selbst? Ja — der Haß war gegenseitig! Dahin war es gekommen. Und — Albert Steins legte den Kopf auf den Tisch. Wie ein Sturm schüttelte ihn der Schmerz. Er ertrug die Qual nicht mehr. Er verblutete von innen aus Gott, o Gott, wenn auch die letztgesandte Arbeit zurückkam. ..? Er hatte sie an den Herausgeber einer Zeitschrift geschickt, von dem es hieß, daß er menschen¬ freundlich junge Talente aufspüre. Die letzte Hoffnung war das. Trog sie — dann zerbrach er vollends. Mit hohlen Augen starrte er. Leere in ihm. Leer die Zukunft. Auf seiner Stirn sammelten sich winzige Perlen. Mühsam holte die kranke Brust Atem. — Schritte auf der Treppe. Die Mutter? Nein, die kam spät, war zu einer Da kranken Tante. Es war Karl. Schon befiel ihn das Zittern, das des Bruders Nähe immer hervorrief. Wenn er nur nicht ... Grußlos trat Karl ein. Zwei heiße Augen starrten ihm entgegen. Natürlich, „Dichter“ hatte den Postboten erwartet! Witterte den „Erfolg“. Ha, den sollte der er haben. Auch Karl war seltsam bleich. Einen Augenblick zögerte er noch . .. Irgendein Menschliches wollte den zustoßenden Dolch zurückhalten. Aber der Haß hatte zuviel Stoßkraft, er mußte sich selbst herausschleudern. Eine heisere Stimme: „Da — da hast du den Wisch!“ Verächtlich warf er den gelben Brief auf den Tisch. Ging sofort aus der Tür, aber im Umwenden sah er noch das kreidebleich erblaßte Gesicht des Küche — zur Bruders. Der lag hingeworfen mit zuckenden Schultern. Ein einziger Blick auf den Absenderstempel: das gute Hoffen zerschlagen! Er brauchte wohl gar nicht zu öffnen. Und riß dann doch den Brief auf, von einem plötzlich aufspringenden wahn¬ witzigen Gedanken gepackt. Nein, nichts. Nur das Manuskript. Nicht eine Zeile. Wortlos zurück — keines Wortes wert. Das war Antwort genug. Aus ihm wollten Schreie brechen; stumm wurden sie hinuntergewürgt. Wie ein Knäuel Vipern saßen sie ihm im Halse, daß er fast erstickte. Gerichtet. Gewogen zu leicht befunden. und diesem Wozu lebte er noch? Wie sollte er weiter leben? Mit dem Bruder — — Die Mutter? Ja, sie würde weinen. Aber dann — dann hatte sie es Bruder? leichter. Brauchte nicht mehr zwischen zwei Feuern zu stehen.
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