Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1935

355 es 1924 ohne zwingenden Grund gefällt worden. Eine Nachpflanzung ist zwar mißlungen, wird aber wiederholt werden. Eisenstraße. Wenn wir die alte Eisenstraße beschreiten, auf der seit vielen Jahrhunderten die schweren Pinzgauer Rosse das Eisen des Erzberges nach Steyr führten, treffen wir gleich bei der ersten Hausnummer einen starken Lärchenbaum mit eigentümlich spiralig gedrehtem Wipfel. (Bei Herrn Josef Felbinger.) An der Bahnübersetzung bei der Marien¬ kapelle standen zwei große Linden; die linke, die der Bahn knapp benachbart war, mußte fallen, weil sie dem Zugsführer die Sicht auf die Semaphore beschränkte und überdies auf der Linie einer künftigen Verbindungsstraße stand. Dafür hat der nächste Nutznießer des künftigen Weges, Herr Neubacher, auf Grund der kommissionellen Besprechung eine Linde hinter der Kapelle gepflanzt, so daß diese in einigen Jahren wieder vom Gezweige umgeben sein wird. Sehr schade hingegen ist es um den schönen Nußbaum, der an der Eisenstraße hinter dem ehemaligen Janetschekgut (jetzt Bittermann) stand. Jetzt sieht man hinter seinem früheren Standplatz nur eine nüchterne Hausmauer. Am Eingang zur Villa Zeis (Eisenstraße 2) stehen zwei ungewöhnliche Ausländer, zwei Spitzeichen. Von der Ortschaft Jägerberg biegt dann die Eisenstraße südwärts zur „Fraising“, die von Fußgängern meist über den Bergerweg erreicht wird. Im Verlauf dieses freundlichen Uferweges treffen wir an der Stadtgrenze, wo die Schiffmeistergasse einmündet, auf eine sehr schöne Weidengruppe. Diese „Schiffmeisterweiden“ beugen ihre hellen Kronen weit über den Ennsspiegel und habenschon argen Hochwässern getrotzt. Wir verdanken ihre Erhaltung dem Eingreifen des Herrn Ingenieurs Narbeshuber vom Wasserbauamt. In der Gartenecke des Ski¬ fabrikanten Stohl (Bergerweg 1) steht in Gesellschaft einiger schöner Eiben einer jener interessanten japanischen Gingkos. Wo früher der große Garten der einstigen Kneipp¬ anstalt war, finden sich heute noch Ueberhälter jener ausländischen Vegetation, die man damals besonders bevorzugt hat, z. B. ein paar schöne Götterbäume (Ailanthus) mit ihren riesigen, eschenartigen Fiederblättern und ein paar Weymouthkiefern. Sehr schön und ursprünglich wirkt der kleine Rest von Aubäumen vom Trans¬ formatorenhäuschen bis zum kleinen Bach beim Isabellenhof. (B.: Dr. Isidor Spiel¬ mann.) Da stehen u. a. einige besonders starke Weiden knapp an der Enns; diese hat ihre Wurzeln zwar teilweise freigespült, aber das stört diese zähen Uferbewohner nicht. Fast wie die Stelzwurzelbäume in den Mangrovesümpfen Indiens sind sie vom unteren Schiffweg aus anzusehen. Unterhalb des Grabenhofergutes am Weg nach St. Ulrich liegt zwischen hohen Lebensbäumen und Eiben versteckt das Grab jenes aufopfernden Seelenhirten des Paters Superior Wilhelm Aigner, der am 11. September 1713 bei der Pflege der Pest¬ kranken gestorben ist. In der sogenannten „Fraising“ erheben sich gegenüber der alten „Schneckenkapelle einige mächtige Fichten über zwei Ruhebänken. Dann führt der Weg über den herrlichen buchenüberschatteten Waldbach (Fraisingbach) am einstigen Hochgericht der Herrschaft Lamberg (Galgenkogel) vorüber, wo noch vor zwei Jahrhunderten echte Raben, die „Galgenvögel ihr Wesen trieben. Jetzt hat sich dieser trotz seiner bedeutenden Größe (1.20 Meter Flugweite!) sehr scheue Vogel in kaum besiedelte Wälder südlich von Weyer und Altenmarkt und ins Tote Gebirge zurückgezogen und steht im Gegensatz zu seinen nächsten Verwandten, den Krähen, unter Naturschutz. Dort, wo der Mergelboden der Fraising beständig absinkt und nun schon sieben Straßenkörper übereinander liegen, biegt ein Weg links um die hohe Lärche und die Eibe in den Wald ein, der zur Terrassenhöhe der beiden schönen Bauerngüter Seppbauer und Hansbauer führt; 200 Meter vor diesem Hof steht in geschützter Lage einer unserer ältesten Bäume, die Hansbauerneibe, eine der schönsten unserer Gegend. Wenn wir die Eisenstraße beim Mayr zu Baumgarten ein kurzes Stück verlassen, so kommen wir nächst diesem schönen Hof zu zwei großen Teichen. Im oberen dieser beiden ist es endlich gelungen, beide Arten von Seerosen, die große schneeweiße Nymphea und die goldgelbe kleinere Nuphar oder Mummelblume anzubauen. Die Eisenstraße führt nun neben der Enns nach Süden. Nach der Mündung des Mühl¬ baches können wir über die Braunreither=Höhe einen Abkürzungsweg nach Ternberg ein¬ schlagen. Auf diesem Weg kommen wir am Singerlhof (Mühlbach 31) vorüber, wo unweit des schönen Anwesens ein herrlicher Lindenbaum steht. In mustergültiger Für¬ sorge hat der Besitzer Brandner die beiden Hauptäste mit einem mächtigen Drahtseil ver¬ bunden, um den gegen die Wetterseite ganz freistehenden Baum vor Astbruch zu schützen. Unweit der schönen „Singerllinde“ steht auch eine starke Stechpalme (Ilex aquifolium), im Volksmund „Schradl“ genannt, mit glänzendem, ledrighartem, spitzgezähntem Laub. Hoch oben an der Nordseite des Braunreitergutes stehen noch die schenkelstarken Stümpfe

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