354 Inmitten des Häusergewirres von Steyrdorf stehen in einem stillen Garten, Haus¬ nummer 12 der Sierningerstraße, zwei außerordentlich große Ginkgobäume, die früher im Volksmund „Hansl und Gretl“ hießen. Die Ginkgos sind zweihäusig, d. h. der eine Baum trägt nur männliche Blüten, der andere nur weibliche. Sie sind noch von dem so beliebten alten Stadtarzt und hervorragenden Entomologen Dr. Josef Krakowitzer gesetzt worden; sie stehen unter dem besonderen Schutze der Besitzer Franz und Maria Böhm und J. Herzig. Der schöne Nußbaum bei der Messerer=Kapelle nächst dem Schnallentor ist eingegangen und vom Stadtbauamt durch eine Linde ersetzt worden. Von dem einstigen Eichenbestand am Daxberg (im Aichet) sind nur mehr drei, aber immer noch erhaltungswürdige Gruppen vorhanden. Am Wieserfeld ist eine recht hübsche Gartenanlage geschaffen worden, welche die Häuserzeilen wohltätig unterbricht. Auf dem dreieckigen Platz beim sogenannten „Brösl¬ mayer=Schlößl“mußte beim Haus Nr. 67 vor etwa 40 Jahren ein prächtvoller Kastänienbaum fallen, weil er angeblich mit seinen Wurzeln den Boden des Hauses „ge¬ hoben“ hat. Ein schöner Nußbaum des Nachbarhauses (Nr. 65, Besitzer: Frau Franziska Ernst) kann einmal annähernd die Lücke ausfüllen. An der Mauer des Volbert=Hauses (Nr. 126, Besitzer: Frau Maria Volbert) hat vor mehreren Jahrhunderten der alte Kaufherr Kunz Horn aus Nürnberg zum Andenken an die guten Geschäfte, die er im gewerbe¬ fleißigen Steyr gemacht hatte, im Jahre 1489 eine schöngemeißelte Relieftafel aus rotem Marmor setzen lassen, die „Rote Kapelle“. Der üppige Efeu, der im bekannten Frostwinter 1929 ganz einzugehen drohte, ist doch wieder zu vollkräftigem Leben erwacht und beginnt wieder das schöne alte Epitaph mit seinem tiefen Grün zu umranken. Wenige Häuser weiter haben wir sogar eine richtige Lindenwirtin (Frau Lina Lindemayer) an der Aichetstiege (Sierningerstraße Nr. 138). Blicken wir hinab aufs „Eisenfeld“ so finden wir noch einige Reste der üppigen Auen, die sich noch vor wenigen Jahrhunderten dort ausbreiteten. Der größte und älteste Zeuge dieser Zeiten stand unweit des Feuerwehrdepots in der Gaswerkgasse, eine Riesenerle von einem Meter Durchmesser. Sie ist leider vor etwa 50 Jahren gefällt worden. Die beiden Maulbeerbäume (Besitzer: Stadtgemeinde) gegenüber der Gasanstalt sind natür¬ lich keine Aubäume, sondern die ältesten Ueberlebenden aus jener Zeit, als man auch in Steyr es mit der Seidenraupenzucht versuchen wollte und zunächst genügend Futter für die gefräßigen „Seidenwürmer“ besorgen mußte. Der Versuch scheiterte schon an der bekannten Rauhheit unseres Klimas. Eine schöne Weidengruppe steht noch an der Holzbrücke „beim Ueberwasser“ unweit des schrecklich verstümmelten Roßkastanienbaumes. Eine andere, schönere Weidengruppe am Wehrgrabensteg nächst der Schwimmschule ist leider ohne ersichtlichen Grund vernichtet worden. Dagegen gedeiht der Vegetationsstreifen längs der Schwimmschule sehr gut und die große Schwarzpappel (Besitzer: Steyr¬ Werke) am Brückenkopf der elegant gewölbten Schwimmschulbrücke kann trotz ihres Alters und ihrer Wunden noch viele Jahre das Straßenbild verschönen. Eisvogel Nicht selten sieht man unter dem Brückenbogen den herrlich schillernden selbst mitten im Winter Gesang der — den munteren durchschwirren oder man hört Wasseramsel, beides Vögel, denen noch bis vor kurzem erbarmungslos nachgestellt wurde. Die Schädlichkeit des Eisvogels, unseres farbenprächtigsten Vogels, wurde arg über¬ schätzt und es ist vergessen worden, daß ihm sehr häufig auch die schädlichen, weil Forellen¬ eier fressenden Flußgroppen („Kappen“) zum Opfer fallen. Die Wasseramsel aber ist nach den genauen Untersuchungen des berühmten Freistädter Ornithologen Professor Schiebel sogar der beste Freund des Fischers, weil sie sich größtenteils von den fischlaichfressenden Köcher¬ fliegenlarven nährt, die sie geschickt und in unglaublichen Massen aus den kalten Fluten herausfischt. Im äußersten Westen der Stadt finden wir an hervorragend alten Bäumen nur mehr die drei außerordentlich ebenmäßig gebauten Fichten hinter dem sogenannten „Urlaubs¬ kreuz“ (Besitzer: Stadtgemeinde). Für das künftige Straßenbild sehr fördernd und daher erhaltungswürdig ist die Roßkastanie beim ehemaligen Mauthäusl von St. Anna, (Besitzer: Stadt¬ ferner die zwei jungen Linden bei der sogenannten „Pestkapelle“ ge¬ gemeinde), welche die aus der Pestgefahr des Jahres 1713 Geretteten aus Dankbarkeit die stiftet haben. Sehr schöne Entwicklung versprechen die jungen Spitzpappeln und sechs schlanken Föhren am Straßenrand gegen die „Vogelwiese“ (B.: Stadtgemeinde). er¬ Von der Stelle des heutigen Landeskrankenhauses bis gegen den „Bierhäuslberg end streckte sich früher ein Föhrenwäldchen, von dem 1831 nur mehr zwei bis drei Dut der Bäume übrig blieben, das sogenannte „Galgenhölzl“ weil auf einer Erhebung Galgen des Stadtgerichtes stand. Später, als man die grausige Vergangenheit des Ortes all¬ mählich vergaß, sprach man vom „Föhrenschacher!“ und hatte es gern, denn es bildete eine hübsche Abwechslung in den etwas einförmigen Feldern. Zum allgemeinen Bedauern ist
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