Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1935

349 Naturdenkmäler von Steyr und Amgedung. Von Prof. Dr. Heinrich Seidl, Steyr. Diese Zeilen richten sich an alle, welche offenen Sinn für die Schönheit der wohlent¬ wickelten Pflanze und anderer schöner Naturgegenstände haben und auch wünschen, diese liebgewordenen Werte der Zukunft zu erhalten. Der Ausdruck „Naturdenkmäler“ soll hier im denkbar weitesten Sinne des Wortes gebraucht werden, also nicht nur für wissenschaftlich oder historisch besonders wertvolle Dinge, sondern auch für solche Bäume, Felsen u. a., die bloß durch ihre schöne Form oder ihren besonderen Standpunkt der Landschaft ihren eigentümlichen Reiz verleihen. Es wird hier auch vielfach über den Rahmen des engeren Naturschutzes hinausgegangen und von manchem bei uns schon wohleingebürgerten „Ausländer“ die Rede sein, den wir aber heute nicht mehr vermissen wollen, wie von unserem besten Schattenbaum, der Roßkastanie, die aus Maze¬ donien stammt; der sogenannten Akazie, richtiger Robinie genannt, die der französische Arzt Robin aus Nordamerika gebracht hat; von den beiden Kindern aus Welschland: der Wal¬ Welsch=)nuß und der schlanken Spitzpappel oder gar vom japanischen Gingko. (— Manches unscheinbare Gewächs wird hier genannt werden und stets ist hier seine Erwähnung in dem Sinne zu verstehen, daß seine Zerstörung eine empfindliche Lücke im Landschaftsbild hinterlassen würde. Aber unsere geliebte Heimat darf nicht ärmer werden, auch nicht an Schönheitsgut, und bekanntlich ist es klüger, die Tür nicht erst dann zu schließen, wenn die Kuh längst aus dem Stall ist. Die Erhaltung des schönen Landschafts= und Städte¬ bildes — hat auch zu dem übrigens auch der Schutz vor geschmackloser Reklame gehört seinen sehr realistischen praktischen Hintergrund: den Fremdenverkehr, der für unser armes Oesterreich eine der wichtigsten Einnahmsquellen darstellt. Was aber das vielfach verwöhnte Auge des Fremden bei uns erwartet, sind nicht nur die allgemeine Naturschönheit und die Kunstdenkmäler, sondern auch die der Natur und jener holde Einklang von Gelände¬ form, Bauwerk und Pflanzenwuchs, wie er sich bei uns aus kunstsinnigen Zeiten zum Teil noch so herrlich erhalten hat. Die „Fachstelle für Naturschutz“ ist seit ihrem Bestande (Oktober 1924) bemüht, alle jene einzelnen Naturobjekte, deren Erhaltung aus wissenschaftlichen oder aus Schönheitsgründen besonders wünschenswert erscheint, festzustellen, in Lichtbildern und Diapositiven festzuhalten und die Allgemeinheit für ihre Würdigung und ihren Schutz zu gewinnen. Mit besonderem Dank sei an dieser Stelle jener Behörden und Vereine gedacht, die dem Naturschutz mit besonderem Interesse und mit Rat und Tat zur Seite stehen, so für die Stadt das Bauamt des Magistrates (Herr Direktor Ing. Heinz Treml und Herr Ober¬ kommissär Stepanek), für den Landbezirk die Bezirkshauptmannschaft (Landes¬ regierungsrat Dr. Oskar Kaltenegger und Herr Oberforstrat Hapak) und die Vor¬ stadtpfarre (Hochw. Herr Dechant Schließleder) für den Friedhof. Für das Pfarramt (Hochw. Geistl. Rat Herr Stadtpfarrer Josef Bamberger), für die aus¬ gedehnten Besitzungen der Hervschaft Lamberg die Güterdirektion (Herr Forstrat Ing. Karl Gaigg). Daß der Verein „Heimatschutz" (Denkmalpflege) (Obmann Studienrat Prof. Gregor Goldbacher) mit der Naturschutzfachstelle (Leiter Prof. Dr. Heinrich Seidl), welche ihm angegliedert ist, die innigste Zusammenarbeit pflegt, ist bei den gleich¬ gerichteten oder einander ergänzenden Bestrebungen selbstverständlich. Aber auch der Ver¬ schönerungsverein, der unter der neuen Leitung seines Obmannes Direktor Fritz Landsiedl seine Tätigkeit energisch wieder entfaltet, und der Verein der Gärtner und Gartenfreunde (Obmann Herr Otto Heindl) arbeitet in stetem Einvernehmen mit dem Naturschutz. Den größten Dank schuldet der Verfasser der unermüdlichen Mithilfe im Naturschutz durch Herrn Medizinalrat Dr. Richard Klunzinger, dem auch die künstlerische Herstellung einer derzeit 270 Stück umfassenden Diapositivsammlung von Naturschutzobjekten zu danken ist, wie sie im Verein mit Plänen, Landkarten und einem ausführlichen Zettelkatalog wohl keine andere österreichische Stadt aufzuweisen hat. Mit Hilfe der genannten Diapositivsammlung und eigenen Projektionsbildern hat sich der Verfasser bemüht, durch Vorträge die Lehrer¬ und die Elternschaft der Schulen für den Naturschutzgedanken zu interessieren, denn für diese eröffnet sich ein nahezu unerschöpfliches Tätigkeitsfeld. Auch eignet sich die Ju¬ gend mit ihrer Beweglichkeit und ihrem scharfen Beobachtungssinn vorzüglich zum Nachrichtendienst, wo es gilt, neue Objekte aufzuspüren, alte zu erhalten oder Gefahren, die ihnen drohen, rechtzeitig zu erfahren und zu melden. Für die Jugend soll ja auch die einzig¬ artige Schönheit unserer Heimat dauernd erhalten werden.

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