Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1935

344 Die Februar=Anruhen in Steyr. Gleichwie in anderen Orten Oesterreichs, Schutzbündlern unter heftiges Gewehrfeuer begannen am 12. Februar 1934 auch in genommen. Der Wagen blieb stehen, der Steyr die Angehörigen des Schutzbundes Motor arbeitete jedoch weiter, der Direktor mit Waffengewalt gegen den Staat vorzu¬ war, von mehreren Kugeln durchbohrt, im gehen. Schweres Gewölk zog sich über Kraftwagen zusammengesunken. Noch am unserer lieben Stadt und ihren Bewohnern Dienstag nachmittags war seine Leiche nicht zusammen. geborgen. Sein Gesicht war durch ein Dum¬ Dum=Geschoß fürchterlich entstellt. Schon bei Montag, den 12. Februar, mittags be¬ der Verwundung des Hauptmanns Fasching gannen sich die Ereignisse zu überstürzen. hatte sich gezeigt, daß die Aufrührer Dum¬ führenden Sozialdemokraten veran¬ Die Dum=Geschosse verwendeten. laßten ihre Anhänger, in den Steyr=Werken die Arbeit niederzulegen. Irregeleitete Ar¬ Das Bundespolizeikommissariat hatte im beiter folgten auch der Parole, zu den Laufe des Nachmittags auch sämtliche Schutz¬ Waffen zu greifen, und rasch war die Enns¬ korpsformationen der Stadt, die Heimat¬ leite von bewaffneten Schutzbündlern besetzt. Freiheits¬ wehr, christl.=deutsche Turner, Als die Polizei in die Steyr=Werke gerufen bündler und Ostmärkische Sturmscharen auf¬ wurde, war es schon zu spät. Bereits in der geboten und ausgerüstet; die Abteilungen Damberggasse stieß die Exekutive auf be¬ versahen während der ganzen Nacht im waffnete Schutzbündler, die sofort das Feuer Polizeikommissariat ihren Dienst. eröffneten. Die Polizei wurde in ein län¬ Zur Säuberung der Ennsleite reichte die geres Gefecht verwickelt. Inzwischen hatten Garnison Steyr nicht aus, da der Schutz die Sozialdemokraten den Wachebeamten der Stadt nach allen Richtungen hin durch¬ Franz Sparlinek durch einen Lungen¬ geführt werden mußte. Die Schutzbündler durchschuß lebensgefährlich verletzt. Nun hatten sich auch in der Gegend des Stadl¬ wurde sofort Militär eingesetzt; es wäre je¬ mayrholzes angesammelt und nahmen von doch unmöglich gewesen, auf die Ennsleite dort aus die Alpenjägerkaserne unter Feuer, vorzudringen, es konnte nur die Eisenbahn¬ ohne jedoch Schaden anzurichten. Bei der Hubersäge gegen Garsten wurden sie von linie gehalten werden. Die Schutzbündler Polizei in Schach gehalten und zerstreut. eröffneten jedesmal ein heftiges Gewehr¬ feuer, so oft jemand die Gefechtslinie über¬ Am 13. Februar, kurz nach 10 Uhr vor¬ schritt. Auch als der Sanitätskraftwagen mittags, nahm Artillerie, die in der Nacht auf die Ennsleite fahren wollte um Ver¬ von Enns gekommen war, das Geschützfeuer wundete abzuholen, wurde auf das Auto auf die Ennsleite auf. Durch zwei Schüsse geschossen. Es war bis zum späten Nach¬ wurde der Wasserturm auf der Ennsleite mittag nicht möglich, die Verwundeten zu beschädigt. Die Rauchwolken von Schrapnells bergen. Hauptmann Fasching, der Kom¬ stiegen über der Ennsleite auf. Die Feuer¬ mandant der Militärabteilung, erlitt einen wehrglocken meldeten Stadtfeuer, ein Ma¬ Durchschuß der Hand und einen Beinschuß. in gazin des Bundesbahnhofes50stand Auch in der Nähe der Neustraße gab es für ofort Flammen. Das Feuer konnte jedoch das Rettungsauto Schwierigkeiten, da sich Intensives gelöscht werden. Gewehrfeuer *# auch dort bewaffnete Schutzbündler angesam¬ gab es inzwischen auf der Neutorbrückeund melt hatten, die jedes Auto anhielten und der auf der Ennsleite. Die dumpfen Donner die Sanität nichtdurchlassen wollten. Die Kanonenschüsse gegen die Mittagsstunde Sozialdemokraten hatten dort auchdie zeigten an, daß ein Generalangriff auf die Telegraphenstangen umgelegt. Mit dem Lan¬ Ennsleite vorbereitet wurde. Immer wieder deskrankenhaus war schon ungefährab knatterten die Maschinengewehre. Nach¬ 3 Uhr nachmittags die Telephonverbindung mittags trafen das Stockerauer motorisierte unterbrochen, ebenso seit vormittags die Ver¬ Feldjäger=Bataillon und mehrere 70Kom¬ bindung in die Steyr=Werke; dort hatten die pagnien der Heimatwehren unter persönlicher streikenden Sozialdemokraten die Telephon¬ Leitung des Bundesführers E. R. Star¬ anlagen demoliert. Im übrigen Stadtgebiet von der niederösterreichischen hemberg funktionierte der Fernsprechverkehrohne Seite her ein und wurden von der Sied¬ 77 jede Einschränkung. Auch die elektrische lung „Klein aber mein“ her gegen die Enns¬ Lichtleitung war intakt. Gegen Abend er¬ leite eingesetzt. Um halb 3 Uhr nachmittags fuhr man, daß der leitende Direktor der waren es bereits volle 24 Stunden, daß Er¬ Steyr=Werke, Ing. Willy Herbst, um die Ennsleite gekämpft wurde. Irgend 81 schossen worden sei. Er war nach Nieder¬ ein Anzeichen, daß der Schutzbund nachgeben legung der Arbeit in den Werken in seinem würde, war nicht zu bemerken, weshalb die Kraftwagen stadteinwärts gefahren und 88688 Ennsleite wieder unter starkes Geschützfeuer wurde bei der Autobau=Ausfahrt sofort von genommen wurde. Besonders stark wurden

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