408 Allein es kam anders. Wenige Wochen nach dem für den Förster so glücklich abgelaufenen Zusammentreffen mit dem Bergmännchen erkrankte des Alten Schwiegersohn plötzlich an der Pest und starb wenige Stunden darauf eines qual¬ vollen Todes, nur betreut vom Förster, der um schweres Geld keine Pfleger für seinen Eidam hatte finden können, und gegen Ende dieses unglücklichen Jahres folgte des Försters. Tochter ihrem Gatten in das Jenseits nach. Da stand denn der verzweifelte Förster mit seinem Enkelkinde allein da, fast ohne Erwerb und ohne Mittel, denn auch das so schnell erworbene Geld war durch die großen Auslagen schnell alle geworden. Der alte Vollbrecht selber hatte an seiner Gesundheit so gelitten, daß er dem beschwerlichen Dienst eines Försters nimmer nachkommen konnte und wohl auch nicht mehr wollte. Sein weiteres Schicksal machte ihm wenig Kummer, wohl aber die Zukunft seines Enkel¬ kindes, das übrigens prächtig heranwuchs, und so sann und dachte er darüber nach, was da zu tun sei, hiebei gequält von Selbstvorwürfen, die er sich darüber machte, daß er das Geld von dem Bergmännchen angenommen und nicht dessen Hilfe für seine arme Kranke begehrt hatte. Dabei klärten sich seine Gedanken aber doch nach und nach vollkommen ab und als der Dezember des Jahres 1349 mit Eis und Schnee und grimmiger Kälte die Gottesgeißel der Pest erlöschen gemacht hatte, war sich der alte Vollbrecht voll¬ kommen klar darüber, was er nun beginnen wolle. Und so stand der Förster am Vortage des Weihnachtsfestes 1349 vor dem Abte Michael von Garsten'), schilderte ihm seine traurigen Erlebnisse in der jüngst verflossenen Zeit und verschwieg auch das Abenteuer mit dem Bergmännchen nicht. „All den Jammer, so mich betroffen, hat meine Habsucht verursacht,“ sagte der Förster wehmütig, „und ich seh's wohl ein, daß ich gar groß und viel gefehlt habe. Ich will's aber sühnen, hochwürdigster Herr Abt, und so Ihr mit mir ein¬ verstanden seid, meinen Enkel dem Dienste der Kirche widmen, ich selbst aber die wenigen mir noch vom Himmel gnädigst geschenkten Tage als Klausner im Gebet und Studium der Werke Gottes zum Wohle meiner Mitmenschen auf jenem Felsen verbringen, in welchem mein jetziges Elend seinen Anfang nahm!“ Der Abt versuchte, den Alten zu trösten und ihm seinen Entschluß auszureden, allein der alte Vollbrecht blieb starr und unbeugsam, und so willigte denn Abt Michael in Vollbrechts Bitten, nahm den frischen, geistig vielversprechenden Enkel des Försters in die Klosterschule auf, wo er zum Priester herangebildet werden sollte, und erwirkte es beim Burggrafen in Steyr, daß der alte Vollbrecht die Uhu¬ hütte am Fels da draußen an der Steyr zu einer Klause umgestalten und ort, Pest¬ fernab vom Getriebe der Welt — denn das Försterhaus wollte seit dem todesfalle daselbst niemand mehr bewohnen und es verfiel nur allzurasch seine Tage als Eremit in beschaulicher Andacht verbringen konnte. Der alte Vollbrecht lebte noch gar manches Jahr, und er bemühte sich nun, kein noch so unscheinbares Ding geringschätzend anzusehen, sondern dessen ge¬ heimen Zweck zu erforschen und ihm das Geheimnis seines Daseins abzulauschen. Dadurch wurde er denn gar bald ein Arzt von großem Ruf, und da er seine Er¬ fahrungen hilfsbereit und selbstlos im Dienste der kranken und leidenden Mensch¬ heit verwertete, verbreitete sich der Ruf seiner Frömmigkeit und seines Wissens weit hinauf und hinab in die schönen Gaue der Steyr und Enns. Saß er aber nach getaner Tagesmüh allein auf dem Bänkchen vor seiner Hütte und blickte hinab auf das herrliche Tal von Steyr zu seinen Füßen, dann strichen seine nun mageren und vom Alter ungelenkigen Finger unwillkürlich und leise durch den langen, schneeweißen Bart und er gedachte längst vergangener Zeiten. Dann erwog er immer wieder, was höher zu schätzen und für den Men¬ schen nützlicher sei, Gold oder die Kenntnis vom Wesen auch des un¬ cheinbarsten Dinges in der Natur, und immer bewegten dann die Worte des Bergmännchens gar mächtig seinen nie rastenden Geist, der es doch nicht zu erfassen vermochte, welchen Zweck es von der Natur aus wohl haben könnte, das Kreuz in der Nuß! ) Michael I. war Abt von Garsten vom Jahre 1335 bis 1352.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2