404 meist durch Felsstücke ungangbar geworden oder es hatten vielhundertjährige, nun entwurzelte Bäume sie im Fallen verlegt, der schmale Holzsteg zur Uhnhütte war in den Abgrund gestürzt und der Arm der Steyr, welcher den Fuß der Christkindler Felsen bespülte, war durch Felstrümmer so verlegt worden, daß dessen Wasser weit im Bogen ausholte, um erst weit abwärts das alte Bett wieder zu erreichen. Wollte der alte Vollbrecht seinem gnädigsten Herrn die Jagd und das Er¬ trägnis von Wald und Wiesen auch in Hinkunft sichern, so hieß es wacker zugreifen und die verursachten Schäden im Vereine mit den Leuten der Eisenhämmer, so weit als tünlich, beheben, und das tat denn der alte Vollbrecht und schaffte im Schweiße seines Angesichts rüstig mit, so daß er im Mai schon dem Burggrafen nach Steyr melden konnte, daß „soweit alles nun wieder in Ordnung sei“ Leider war jedoch um diese Zeit im Hause des Försters keine „Ordnung“ mehr, wie der Förster mit einem gewissen Anflug von Galgenhumor zum Hammerschmied¬ meister Matthias drunten bei der Steyr sagte, „in keiner Beziehung Ordnung“. denn seine Tochter Marie, die den schmucken Hans, seinen Forstgehilfen und künf¬ tigen Nachfolger im Försterdienste geheiratet hatte, war seit einem halben Jahre schon krank und bettlägerig und aus der hübschen und netten Frau war ein ab¬ gehärmtes, hohläugiges, schwaches Weib geworden, das mit tiefem Kummer das von ihr geleitete kleine Hauswesen ihres Vaters, das auch ihr eigenes war, täglich weiter zurückgehen sah, und deren Mutterherz schier brechen wollte darüber, daß ihr Söhnchen, der etwa sechsjährige Oswald, sich ganz selbst überlassen blieb, wenn sein Großvater und ihr Mann den Berufspflichten nachgingen, die schwer und zeitraubend genug waren. Im Hause schaffte nunmehr eine alte Magd, welche Frau Marie bereits, als diese noch ein Kind war, betreut hatte, schlecht und recht, wartete die Kranke, kochte für die Männer und nähte Oswalds Kleider, die der wilde Bube nur zum Zer¬ reißen bekommen zu haben vermeinte. Der herzogliche Arzt aus dem Schlosse zu Steyr kam ab und zu, in den letzten Wochen sogar täglich, in das Försterhaus heraus, aber so frohe Hoffnung er dem Vater und dem Gatten der Kranken bis nun gemacht hatte, jetzt war er gar ver¬ schlossen, wenn er kam, und mürrisch, wenn er ging. Heute war er besonders schweigsam gewesen, und dem Förster, der hiebei anwesend war, ahnte nichts Gutes. Daher fragte er den Arzt, den er ein Stück Weges gen Steyr begleitete, was er über die Krankheit Frau Mariens denke. „Schlimm, schlimm ist die Sache,“ hatte der Arzt zögernd und erst auf ein¬ dringliches Bitten geantwortet, „meine Kunst ist, glaube ich, wohl zu Ende und auch die anderer Aerzte, wenn nicht Gott ein Wunder tut, worum ich zu bitten Euch dringend angeraten haben möchte!“ Der Förster hatte, selber etwas Arzt, da er der Natur so manches Geheimnis abgelauscht hatte und es gar wohl verstand, die verschiedenen Pflänzlein als Arzneien zu verwerten, wie es eben seine Vorliebe für die Natur und deren Schätze mit sich brachte, wohl schon solches vorgeahnt, war darob aber doch gar heftig er¬ schrocken und hatte sich schweren Herzens vom Arzte getrennt, um den Heimweg anzutreten, während dessen ihm fortwährend der Gedanke durch den Kopf ging, seine Tochter könnte vielleicht doch noch gerettet werden, wenn er nur die Mittel für die gehörigen Arzneien und für eine Luftveränderung aufzutreiben imstande wäre, wie der Arzt dringend angeraten hatte. Aber leider war der alte Vollbrecht am Ende mit seinem Gelde, denn seine ohnehin kargen Ersparnisse waren bereits aufgebraucht, weit in den Landen unter den jetzigen Zeitverhältnissen das Geld so rar wie bei ihm selber; in Steyr, bei seiner gnädigen Herrschaft, hatte er bereits seinen Sold für zwei Jahre nach und nach im voraus genommen, zu dem der Burggraf aus den verfügbaren Mitteln sowie aus eigenem barmherzig manch Goldstück hinzugefügt hatte. Von dort war auf eine ausgiebige Unterstützung also nicht mehr zu hoffen — warteten ja doch gar so viele auf namhaftere Hilfe des allzeit freigebigen Herzogs, der nicht einem seiner Untertanen allein zu helfen hatte und helfen konnte.
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