Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1933

398 ganz kurz kupiert war, damit sie sich nicht in den Seilen und Stricken verhängen konnten, hatten Geschirre, an denen rückwärts ein hölzerner Bogen („Süll“)be¬ festigt war. Am Süll befand sich ein eiserner Ring, in welchen die Stricke zur Ver¬ bindung mit der Zwiesel mittels eines Holzklobens eingehängt waren, der bei Un¬ fällen rasch gelöst werden konnte. Die Roßknechte—eine rohe Gesellschaft führten in der Regel zwei Pferde und ritten auf dem ersten ihrer Partie, häufig quer im Damensitze. Der erste Reiter, der zugleich der Anführer der ganzen Schar war, hieß „Voraufreiter“, jener in der Mitte „Marstaller“, der letzte „Afterreiter“ Nur Vorauf= und Afterreiter durften die Schiffe betreten, den andern war dies verboten. Die Zahl der Pferde hing von der Größe und Beladung des Schiffzuges ab, 35 bis 40 Pferde waren keine Seltenheit. Bei Tagesanbruch weckte der Säßtaler seine Mannen mit dem Rufe: „Auf überall in Gott's Namen und der Welt zu!“ Während die Pferde gefüttert und getränkt wurden, nahmen die Leute ihr Frühstück, aus Brot und Speck bestehend ein, brachen das Lager ab und richteten alles für die Fahrt vor. Nachdem die Pferde eingespannt waren, verrichtete der Säßtaler auf seiner Kommandobrücke, die andern auf ihren Dienstplätzen ihr Morgengebet, worauf der Säßtaler durch Schwenken des Hutes und den Ruf „Quandi hab über!“ den Befehl zum Aufbruch gab, der vom Voraufreiter mit dem Rufe beantwortet wurde: „Hebts an in Gott's Nam'!“ Auf diesen hin setzte sich der Zug in Bewegung. Die Pferde wurden auf dem Treppelwege fortgetrieben und zogen die Schiffe stromauf Hinter den Pferden ging ein Knecht, der „Geschworene“ der mit einer kräftigen Stange, dem „Beißer“ das Seil über Hindernisse, wie große Steine, Stauden, Wurzelstöcke u. ä. hinüber¬ zuheben hatte. Bei Unterbrechungen des Treppelweges in Augebieten, an Flu߬ mündungen oder wegen Sandbänken war es wiederholt nötig, das der ganze Zug ins Wasser hineinreiten mußte. Wenn die Wassertiefe nicht genau bekannt war, wie z. B. nach Hochwässern, ritt der Voraufreiter mit losgebundenem Pferde voraus und erkundete mit dem „Marschalle“ einer zwei Klafter langen Stange, die tiefen Stellen und lenkte die nachfolgenden Reiter. Es wurde solange zugeritten, als die Pferde festen Fuß fassen konnten. An schlechten Stellen des Ufers oder des Treppel¬ weges kam es vor, daß durch die Gewalt der Strömung Pferde und Reiter in den Fluß gerissen wurden und verunglückten. Da mußte der nächste Reiter möglichst flink den Kloben am Süllringe lösen, um das betreffende Pferd freizumachen. Durch Brechen des Fadens oder der Zwiesel gab es öfters auch böse Stürze. Hörte der Roßweg auf dem Ufer, auf dem man sich eben befand, auf und setzte sich am andern Ufer fort, so mußte der ganze Schiffszug auf die andere Flußseite hinübergebracht werden. Man machte zuerst den Schwemmer und Schwemmernebenbei los und ließ sie hinübertreiben, dann folgten die anderen Schiffe nach. Die Pferde waren inzwischen in die herangebrachten Roßplätten „eingesprungen“ und wurden nun ebenfalls hinübergeführt. Jenseits wurde der ganze Zug wieder in seine richtige Ordnung gebracht, die Pferde eingespannt und es konnte weitergefahren werden. An der Donau erforderte ein derartiger Ufer¬ wechsel einen Zeitaufwand von zwei bis drei Stunden. Zwischen Nußdorf und Mauthausen war ein siebenmaliger Uferwechsel nötig: in Zwentendorf, Tulln, Dürnstein, Aggsbach, Schönbühel, Persenbeug, Tiefenbach, Mauthausen. Die in der unteren Donaustrecke häufigen Schiffsmühlen behinderten die Gegenfahrt sehr. Vom frühen Morgen wurde bis 11 Uhr vormittags gefahren, hierauf bis 2 Uhr Mittagsrast gehalten. Alle Leute wurden auf Kosten des Schiffsmeisters von der Küche auf dem Hohenau oder einer eigenen „Kuchelzillen“ aus verpflegt. Ihre tägliche Ration bestand aus ¾ Pfund Rindfleisch, dazu mittags Suppe, Knödel oder Erdäpfel, Kraut usw., ferners aus zwei Wecken Brot und vier Maß Bier oder Most. Man darf sich daher nicht wundern, wenn über häufige Betrunkenheit der Leute Klage geführt wurde. Die oberösterreichische Landesregierung gab am 20. März 1770 eine Schiffahrtsordnung heraus, in welcher u. a. darauf hin¬ gewiesen wird, daß die meisten Schiffsunfälle durch Trunkenheit der Leute ent¬ stehen. Außer anderen Strafen verfügte sie, daß die Schiffmeister Knechten, die wegen Trunkenheit entlassen worden waren, kein Zeugnis ausstellen durften. Ohne

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