Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1933

396 lieferung der Güter verantwortlich waren. Es war dies wegen allfälligen Havarien unbedingt notwendig. Ueber eine solche berichtet mein Großvater: „1857 den sechsten Juni haben mir meine Leute die Pester Fuhr bei der Teufel¬ mauer oberhalb Spitz getränkt; es waren bei 1200 ctr. Waaren darauf, die Waaren gehörten den Herren Engel, Molterer und Hönig. Da bin ich sechs Tage dort ge¬ blieben, um die Waaren wieder aus dem Wasser herauszubringen. Dann habe ich die Waaren zu Land wieder nach Steyr führen müssen. Da habe ich viel Schaden gehabt.“ Die Schiffe konnten —obwohl die Fahrtrinne auf der Enns damals noch tiefer als heute war — in Steyr nicht voll ausgeladen, „getaucht“ werden. Sie fuhren mit geringerer Ladung bis Pyburg (unterhalb der Mauthausener Eisenbahnbrücke) in 3 bis 3½ Stunden, wo die Fracht mehrerer Schiffe zusammengeladen („z'sammgeschifft“) wurde. Von dort wurde die Fahrt nach Wien angetreten, die bei gutem Wasserstande in den Hochsommermonaten bis Nußdorf 18 bis 20 Stunden dauerte, bis Budapest benötigte man fünf und mehr Tage Fahrzeit. In der un¬ günstigen Jahreszeit konnte man Wien natürlich nicht an einem Tage erreichen. Dann wurde in Stein, Zwentendorf, Loiben, Spitz oder noch weiter heroben über¬ nachtet. Schlechter Wasserstand, Gegenwind im Tullner Felde oder Herbstnebel ver¬ zögerten die Fahrten oft sehr. In Nußdorf mußte jedes Schiff landen und seine Ein¬ fahrt in den Donaukanal, der erst im Jahre 1701 schiffbar gemacht worden war, an¬ melden und die Zuweisung eines Anlegeplatzes am „Schanzel“ (in der Nähe des heutigen Rudolfsplatzes) abwarten. Auf der Fahrt nach Wien bildete das größte Hindernis der Greiner Struden, dessen Passierung in früheren Jahrhunderten mit großen Gefahren verbunden ge¬ wesen war. Die älteste Nachricht über ein dort vorgefallenes Unglück stammt aus dem Jahre 926, als ein Bischof Dacolf von Freysing an jener Stelle zugrunde ging. Bei hohem Wasserstande konnten die talwärts fahrenden Schiffe über die dann unter Wasser befindlichen Felsen hinweggleiten; bei niedrigen Wasserverhältnissen blieb aber nur eine 10 bis 14 Meter breite Fahrtrinne, die außerdem durch vom Wasser nur wenig überronnene Felskugeln gefährlich gemacht wurde. Je nach dem Wasserstande mußten schwer beladene Schiffe in Grein entladen und erleichtert werden und die Waren auf anderen Schiffen durch die gefährliche Enge gebracht werden. Von Grein aus führten eigene Nauführer die Schiffe durch den „Strum“ an den sich flußabwärts beim Hausstein ein Wirbel mit einem Durchmesser von etwa 16 Metern und einer Tiefe von 1½ Metern anschloß und die dem „Strudel“ glücklich entronnenen Fahrzeuge mit neuen Gefahren bedrohte. Es wurden schon frühzeitig Vorschriften für die Passierung dieser bösen Stelle herausgegeben; die älteste uns erhaltene stammt aus dem Jahre 1523. Die Gegenzüge blieben bei hohem Wasserstande am rechten Ufer und trieben durch den Hößgang bergwärts. Sie wurden von eigenen „Kranzlern“ die in der Ortschaft Struden wohnten, geführt. Bei niedrigem Wasser mußten sie beim Haus¬ stein auf das linke Ufer und oberhalb der Insel Wörth wieder aufs rechte zurück. Zur Ueberwindung des Strudels mußten außer den eigenen Pferden noch solche als Vorspann aufgenommen werden, welche die dortige Bevölkerung bereit hielt. Neben dem Zugseile wurde noch ein Afterseil, an welches getrennt Pferde ange¬ spannt waren, verwendet und schließlich noch ein drittes Seil, das sogenannte „Reitseil“, an den Schiffen angeheftet, welches zur Sicherung gegen Unfälle durch Seilbrüche um die Reitstecken gewunden werden konnte. Die ersten großzügigen Sprengungen wurden unter der Regierung Maria Theresias von der Navigations=Direktion im Jahre 1777 begonnen und bis zum Jahre 1785 in den Wintermonaten fortgesetzt. Es wurde erreicht, daß die ärgsten Gefahren beseitigt wurden. Das herausgesprengte Steinmaterial wurde zur Anlage eines neuen Schiffweges benützt, der sich außerordentlich bewährte. Während früher ein Schiffszug zur Ueberwindung des Strudels zwei Tage benötigte, konnte er nach der Regulierung diese Strecke in knapp einem halben Tagé bewältigen und be¬ nötigte nur mehr 70 Meter lange Seile anstatt 180 Meter lange. Dies bedeutete

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