Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1933

395 Von den Schiffstypen, die natürlich im Laufe der Zeit wechselten, möchte ich vier erwähnen: nur1. die Plätte, welche 3½mal so lang als breit ist; 2. die Gams, die schon wesentlich schlanker gebaut, ungefähr 5½mal so lang als ist und im Grundrisse die gewohnte Schiffsform zeigt; Abart: Passauer Gams breit sehr hohem Kranzel; mit 3. die schlanke „Siebnerin“, 11mal so lang als breit, die ihren Namen daher hat, daß ursprünglich sieben je einen Schuh breite Laden für den Boden verwendet wurden, sonach gab's auch eine „Fünferin“ oder „Neunerin“; 4. den „Trauner“, der 6mal so lang als breit ist. Gams und Trauner dürften auf der Enns die verbreitetsten Typen ge¬ wesen sein. Zu den wichtigsten Ausrüstungsgegenständen gehören die Seile, früher nur aus in — Hanf, die nach der Anzahl der zu ihrer Erzeugung verwendeten Leinfaden Schillingen zu 30 Stück gerechnet — benannt wurden; z. B. „Dreierl“ „Fünferl“ und so weiter bis zum schwersten „24“, das also ein Seil ist, welches aus 24 Schilling zu 30 Faden, demnach aus 720 Leinfaden besteht. Sie wurden nach „Längen“ zu 30 Klaftern gerechnet, ein „1½“ langes maß 45 Klafter, das sind rund 90 Meter. #77 Die Schiffleute sagen nie: „ein Seil reißt, sondern: „ein Seil bricht". Die Anzahl der Bemannung hängt von der Größe des Schiffes ab, der Kom¬ mandant desselben ist der „Nauführer“. Im Protokollbuche der bürgerlichen Floß= und Schiffleute fand ich im Jahre 1727 7 Meister mit 90 Knechten verzeichnet. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts waren in Steyr nur mehr zwei Schiffmeister, der Schiffmeister Mayer in Neu¬ schönau und mein Großvater Josef Reder, die mit ihren Schiffen ennsaufwärts bis Kastenreith, ennsabwärts zur Donau und auf derselben bis Wien und Budapest fuhren. Die Fahrten begannen im Frühjahr, sobald es die Eisverhältnisse zuließen, und dauerten in der Regel bis zum Tage des Schutzpatrones der Schiffleute, des heiligen Nikolaus, bezw. bis zum Eintritt des Winters. Mein Großvater schreibt in seinen Erinnerungen hierüber: „1849 hat es mir in Tulln einen Pester Zug eingefroren. Da habe ich die ganze Ladung über Land nach Steyr führen müssen, habe viel Strapaz aushalten müssen.“ „1856 hat es schon den halben November sehr viel Schnee gehabt und hat es sich auch gezeigt, als ob es schon kalt werden wollte; ich habe aber noch zwei Schiff¬ züge unterwegs gehabt: einen zwischen Wien und Stein und den zweiten in Melk. Da bin ich mit dem Reitschlittengaßel bis Stein gefahren und habe die Leute aufge¬ muntert, daß sie noch weitergefahren sind, denn sie haben nicht mehr fahren wollen wegen der Pferde. Aber mit lauter Zureden und selbst Dabeibleiben habe ich es doch noch dazu gebracht, daß wir mit allen beiden Zügen noch nach Steyr kamen, aber ich habe mich so verkühlt, daß ich acht Tage in Grein im Bette liegen mußte infolge einer Lungenentzündung. Die Fahrten erfolgten regelmäßig, abgesehen von Störungen durch Hoch= und Niederwasser. Die Hauptfracht zu Tal bestand aus den verschiedenen Artikeln des Steyrer Gewerbefleißes, vor allem jenen der Eisenindustrie, sowie außerhalb der heißen Sommermonate aus Kälbern für Wien. Erstere wurden am Stadtkai beim Eisenfloße, letztere im Ennsdorfe verladen. In dem kleinen Anbau an der Dominikanerkirche hatte mein Großvater einen Kanzleiraum. Die Handelskammer berichtet aus dem Jahre 1851, daß von Steyr abwärts 2000 Tonnen Eisenwaren, 9200 Kälber und 2000 Klafter Scheiter verfrachtet worden sind. Nach einem zwischen den Schiffmeistern vereinbarten Turnus wurde jede Woche ein Schiff nach Wien ab¬ gefertigt, „Ordinari“ benannt, welches auch Passagiere mitnahm. Mit Wien war ein regelmäßiger Botendienst eingerichtet, ähnlich jenem, den heute die Landboten Steyr unterhalten. mit Jede Ladung wurde genau in zwei Bücher eingetragen, von denen eines dem Schiffsschreiber, bezw. dem Nauführer übergeben wurde, die für die richtige Ab¬

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