Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1933

318 seiner Gründung im Juni 1925 ins Wanken geraten. Der Betrieb wurde im Vertrauen auf die Patente Reißers fortgeführt. Es be¬ teiligten sich daran einige heimische Geldgeber. Die Maschine wurde jedoch nie fertig und gebrauchsfähig und schließlich mußte nach fünfvierteljährigem Bestehen der Fabrik zur Betriebseinstellung geschritten werden. Aus¬ gleichs= und Konkursverfahren wurden in der Folgezeit abgelehnt. Ingenieur Reißer und Rudolf Reder wurden der fahrlässigen Krida angeklagt. Ingenieur Reißer wurde in einge¬ chränktem Sinne der Anklage zu zwei Mo¬ naten strengen Arrest verurteilt, Rudolf Re¬ der wurde, da er in allem als vorsichtiger Kaufmann vorgegangen war, freigesprochen Durch das Unternehmen wurde vornehmlich die Sparkasse um einen Betrag von 124.000 S geschädigt, von welchem Betrag allerdings der Wert der von der Sparkasse er¬ teigerten Gebäuden abgezogen werden muß; die Gemeinde Steyr wurde um 30.000S ge¬ schädigt. Die Verteidigung für Reder führte Rechtsanwalt Dr. Finkler aus der Kanzlei des Advokaten Dr. Preßburger in Wien. Steyr. Der Wiener Männerchor„Wer¬ ner von Siemens“, der selbst durchAbbau Mitgliederverluste zu verzeichnen hat, sandte an den Steyrer Männergesangverein ein un¬ gemein herzliches Schreiben nebst einem an¬ ehnlichen Geldbetrag für seine arbeitslosen Sänger und deren Familien. Der Wiener Verein hat im Vorjahre eine Sängerfahrt nach Steyr unternommen und sich hier sehr rasch die Sympathien der Bevölkerung er¬ worben. Steyr. Die „Steyrer Zeitung“ konnte in ihrer Nummer vom 19. Jänner 1932 be¬ richten: „In Nummer 52 vom 26. Dezember 1931 der „Deutschen Sängerbun¬ deszeitung“ die in Berlin erscheint,ist folgendes höchst ehrenvolle Urteil über den Steyrer A=cappella=Chor „Sängerlust“ ent¬ halten: Ganz besondere Erwähnung „ aber verdient die zehnjährige Bestandes¬ eier des A=cappella =Chores „Sän¬ gerlust", Steyr. Nach dem Muster des Wiener Lehrer=a=cappella=Chores aufgebaut und nach dem Vorbilde von Hans Wagner¬ Schönkirch seit zehn Jahren mit außerordent¬ lichem Geschick von Franz Wegscheider geleitet, leistet diese grundsätzlich nur aus¬ wendig singende Körperschaft in Ausge¬ glichenheit der Stimmen, Abtönung des Klanges, Feinheit des Vortrages und Uner¬ müdlichkeit der Arbeit wahrhaft Unglaub¬ liches. 120 (einhundertzwanzig) Chöre zumin¬ dest umfaßt ihr jederzeit aufführungsbereiter Vortragsschatz. Der Verein besteht etwa zu je einem Drittel aus Arbeitern, Angestellten und freien Berufen und errang sich nicht bloß durch vorbildlichen Chorgesang, sondern auch durch vorbildlichen Korpsgeist im ganzen Lande das höchste Ansehen. Vorstand Hans Jaroschinsky,der leider vor einem halben Jahre starb, und Chorleiter Franz Wegscheider, der nun auch zum Vor¬ tande gewählt wurde, haben dieses Kunst¬ tück zuwege gebracht in der alten Eisenstadt Steyr, die vielleicht am meisten unter den österreichischen Städten vom Zusammenbruch betroffen wurde. Was hier von Führung und Gefolgschaft in freiwilliger und freudiger Zu¬ ammenarbeit geschaffen wurde, verdient gele¬ gentlich einmal zu allgemeinem Nutz und Frommen besonders dargestellt zu werden Denn was die kleine, rund 60 Mann zählende Schar der „Sängerlust“ in Steyr unter den allerungünstigsten Verhältnissen der Wirt¬ schaft und Politik zuwege brachte, kann mit Fug und Recht dem großen Kreis der deut¬ schen Sängerschaft Trost und Mahnung in der Not der Gegenwart bilden!“ Steyr. Im 76. Lebensjahre starb Herr Matthias Duftschmid, gewesener Speng¬ lermeister, Gleinkergasse. Pfarrkirchen bei Bad Hall. Herr Ludwig Kaiplinger, Schneidermeister im hiesigen Orte, konnte am 19. Jänner sein 40jähriges Dienstjubiläum als Mesner feiern. Er diente unter den Pfarrern Alexander Oberneder, Lambert Guppenberger, Richard Kohlendorfer und Maurus Gabriel. Ueber hundert Ministranten standen unter seinem „Kommando.“ Losenstein. Am 19. Jänner starb Frau Marie Leitner, Hausbesitzerin in Losenstein Nr. 61, im 62. Lebensjahre. 21. Steyr. Am 21. Jänner stand ganz Steyr und Umgebung unter dem Eindruck einer furchtbaren Tragödie, die sich im Spar¬ kassagebäude abgespielt hatte. In den Mor¬ genstunden des genannten Tages hatte der Amtsdirektor der Sparkasse Steyr Dr. Adols Neuber seine Gattin Rudolfine Neuber und seinen Sohn Eberhard durchRevolver¬ schüsse getötet und später sich selbst lebensge¬ ährlich angeschossen. Dr. Neuber starb am 22. Jänner im Landes=Krankenhaus. Die Nachricht von der Tragödie hatte sich in Steyr und Umgebung wie ein Lauffeuer ver¬ breitet, zumal der Amtsdirektor eine weithin bekannte Persönlichkeit war. Dr. Neuber hatte noch am Vortag mit seiner Familie wie gewöhnlich in bester Laune das Abendessen eingenommen. Hausleute hatten um ½6 Uhr früh zwei schußähnliche Detonationen gehört und gleich darauf wieder zwei. Gegen 7 Uhr erteilte Dr. Neuber dem Dienstmädchen durch die halbgeöffnete Tür noch einen Auftrag; um ½8 Uhr hörte man wieder eine schußähnliche Detonation. Man konnte jedoch nicht unbe¬ dingt Schüsse annehmen. Als man schließlich aus der Wohnung Stöhnen hörte, schritt man zur gewaltsamen Oeffnung der Wohnung und ah sofort, welche Tragödie sich abgespielt hatte. Der ärztliche Befund stellte fest, daß

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2