Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1933

308 3 S; auf den Tag gerechnet sind dies 42 g. Verheiratete und Familienerhalter erhalten je nach Kopfzahl 4 bis 8 S, das sind nicht einmal 30 g für Tagund Kopf. An die Ausgesteuerten— olche, Vor¬ denen infolge Fehlens der gesetzlichen aussetzungen weder Arbeitslosenunterstützung noch Notstandsaushilfe gezahlt werden kann werden fallweise Beihilfen gewährt; unter diesen sind 100 Familienerhalter. Fallweise Beihilfen erhalten auch 2028 Notstandsunter¬ stützungsempfänger, unter denen sich 855 Fa¬ weihnacht am Kriegerdenkmal in Sierning. milien mit 989 Kindern befinden. In den Kreis der fallweise zu befürsorgenden Men¬ schen gehören auch die Alters= und Klein¬ rentner, von denen es in Steyr 1400 gibt. Das Fürsorgeamt wird auch noch von 520 Personen beansprucht, die in verschiedenen Anliegen vorstellig werden. In den städ¬ Der tischen Heimen leben 328 Pfleglinge. Fürsorgereferent erklärte, daß in Steyr 11.570 Personen auf irgend eine Das Art amtlich befürsorgt werden. heißt, bei einer Einwohnerzahl vonrund 22.000 Menschen sind 53.4 Prozentder Bewohner gezwungen, öffentliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wenn man von den in Fürsorge stehenden Personen nur 3500 als ehemalige Arbeiter der Steyr¬ Werke ansieht und als Wochendurchschnitts¬ verdienst eines solchen 60 S einsetzt, macht dies die gewaltige Summe von 200.000 S aus, die in Steyr allwöchentlich dem Ver¬ brauch entzogen wird. — Dazu kommt noch daß infolge der schlechten Ernährung vor allem unter der Kinderwelt die Tuberkulose und verschiedene andere Krankheiten stark verbreitet sind. Die Gemeinde muß für diese Krankenfürsorge viele Mittel aufwenden. Fast 90 Prozent der Kinder in Steyr sind schwer unterernährt. Der Elendsprospekt sagt: „Daß in Steyr — Hunderte von Kindern leben man muß sich wundern, daß sie noch leben — die nur einmal des Tages leeren Tee als Essen haben, ist leider ebenso wahr, wie es Hunderte Kinder gibt, die keine eigene Schlafstelle haben, wie es auch Kinder gibt, die die Schule nicht besuchen können, weil ie keine Kleider haben, Hunderte Kinder gibt, die bloß den einen Wunsch haben: wenn sie schon den Magen nicht satt haben können, wenigstens Wärme zu haben, und denen das Schulzimmer deshalb in erster Linie der ge¬ heizte Raum ist und als Stätte der Bildung erst viel, viel später rangiert. Es gibt in dieser Stadt Menschen, die tagelang im Bette bleiben müssen, weil sie ohne Heizmaterial sind, weder warme Kleider noch warme Schuhe haben. Es gibt in Steyr Familien mit Kindern, deren einzige Nahrung eit Monaten dünne Wassersuppen sind, weil sie nicht einmal Kartoffeln kaufen können, von Brot und Milch gar nicht zu reden. Mit Recht ist in diesem Elendsprospekt auch auf die moralische Bedrängnis und die seelische Not besonders jugendlicher Arbeitslosen verwiesen. Steyr. Der Gemeinderat beschloß ein¬ stimmig, daß zu Ehren der berühmten Dichterin Enrica (von) Handel=Maz¬ zetti die Promenade in Handel=Mazzetti¬ Promenade umgetauft wird. 30. Steyr. Im Ministerrat in Wien kam am 30. Dezember auch ein telegraphisch über¬ mitteltes Gesuch der Stadt Steyr um Hilfe in ihrer bedrängten Lage zur Erörterung. Im Ministerrat wurde darauf verwiesen, daß zu¬ nächst die oberösterreichische Landesregierung berufen erscheint, in dieser Angelegenheit Be¬ richt und Anträge zu erstatten. Zugleich wurde betont, daß die vom Bürgermeister beabsich¬ tigten Maßnahmen, insbesondere Sperrung der öffentlichen Schulen unzulässig seien. Es wurde sonst die Bereitwilligkeit der Mitglieder der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht, der Stadt Steyr jede nur mög¬ liche Hilfe angedeihen zu lassen. Vom Finanzminister Dr. Weidenhoffer wurde dar¬ auf verwiesen, daß der Bund in den Mitteln, die er für diese Aktion bereitstellen könne außerordentlich beschränkt sei und daß der Rahmen des Budgets jedenfalls eingehalten werden müsse. Man einigte sich schließlich

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