Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1932

380 bekam noch einige Weisungen wegen des „Gwändls“ und die Einladung, am Sonn¬ tag zum Essen zu kommen. Das war wohl was anders, als am Sonntag zum Herrn Schustermeister Gödn=bitten gehen zu müssen. Ich bußte meinem Gödn mit Jubel im Herzen die Hand und ging erhobenen Hauptes durch des Schreibers Stube, dem ich mit lauter Stimme einen guten Abend bot. Der schüttelte den Kopf, er wußte noch nicht, daß ich der künftige geistliche Verwandte seines Brotgebers sei. Mir aber war, als hätte ich schon einen Anteil an der bürgermeisterlichen und schulinspektor¬ lichen Glorie meines Herrn Gödn. So, jetzt hieß es, daheim mein selbstherrliches Vorgehen bekanntzugeben und Mütterlein vor die vollzogene unabänderliche Tatsache zu stellen. Nicht stürmisch wie sonst, aber mit einem gewissen Nachdruck betrat ich das Mutterstüberl, warf den Schulranzen nicht ungestüm, aber doch mit Schwung auf die Truhe und platzte —„So? Bist leicht alloan bän heraus: „Muattä, i han schon an Gödn!“ Zaunä g’wön?“ fragte sie erstaunt. „Nä, bein Herrn Buargämoasta!“ Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Ja, Bua, was is denn dir eing'falln!?“ entsetzte sie sich. „Er hat mas zuag'sagt und am Sunntä derf i zu eahm „Däß d’ dih traut ößn kemma!“ war die Antwort des Triumphators Hansl. — hast!“ wunderte sie. „Warum denn net?“ trumpfte ich auf und erzählte nun alles und am Schluß begründete ich auch meine „unwiderstehliche Abneigung“ gegen Meister Knieriem. In der Schule gab es natürlich auch ein groß' Wundern und der Herr Katechet riß auch die Augen auf, als ich ihm den fein säuberlich geschriebenen Zettel übergab. Auf der Gasse war ich der „Held des Tages“ und die Huatärin und die Greißlerin und die närrische Res und manche andere konnten den Bürgermeister nicht begreifen, daß er einen so armen Buben, und noch dazu einen solchen miserablen Lausbuben, zur Firmung führe und gar nach Salzburg, wo's eh so sündteuer sein soll. Die kommenden Wochen waren voll seliger Erwartung, Freude und Stolz. Keine Braut kann dem Hochzeitstage so glückerfüllt entgegenschauen wie ich meinem Firmtag. Ich begriff aber auch meine große moralische Verpflichtung dem „Bürger¬ meister=Gödn“ gegenüber. Erstens lernte ich beim Firmunterricht mit solchem Eifer, daß mich der Herr Katechet im tiefsten Schlaf hätte fragen können, ich hätte, ohne ein Auge aufzutun, jede Frage beantwortet. Und ich machte meine aktive Teilnahme an den verschiedenen „Stückeln“, die im „Rate der Mordsspitzbuben“ zur Vor¬ behandlung kamen, davon abhängig, ob sie nicht ein ortsinspektorliches Strafgericht zur Folge haben könnten. Wenn ja, dann nein! Eigentlich wäre dieses Kapitelchen aus meiner Lebensgeschichte damit zu Ende Zu erwähnen wäre höchstens noch, daß ich von da an jeden Sonntag bei meinem Herrn Gödn zu Mittag essen durfte. Freilich nicht im Speisezimmer, sondern in der Küche. Aber die war ja ohnehin so groß, so schön, das reinste Feenreich. Und da gab es so Gutes, noch nicht Gekanntes zu essen und ganz unmerklich erzog man mich dort zum „zivilisierten“ Essen und fürs liebe Mütterlein bekam ich auch immer was mit, so daß sie mit meinem tollkühnen Streich ganz zufrieden wurde. Und der mir zugedachte „Göd“, der biedere Hans Sachs meines Heimat¬ städtchens, der wohl mit den Menschenfüßen umzugehen verstand, aber wohl nie der wird jedenfalls nicht allzu betrübt gewesen sein, mußte, was ein Versfuß sei — daß er zu mir nicht „in noch nähere Beziehungen“ treten durfte. Es blieb ihm und mir manches erspart. Am Ende hätte er mich gar für sein Handwerk erzogen und ich wäre ein schlechter „Schuh=Macher und Poet“ dazu geworden, wovor mein guter bürgermeisterlicher „Göd“ die Welt und mich bewahrt hat. Wie klein, nichtig, unbedeutsam erscheinen uns oft Vorfälle des Lebens und sie können doch entscheidend für ein Menschenkind und durch dieses vielleicht für viele werden . .. Wüßt' davon noch manch' Geschichtlein zu erzählen. Hans Binder.

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