Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1932

377 Wie ich zu meinem „Firmgödn“ kam. „Also, wer heuer gefirmt werden will, muß dies in der nächsten Religionsstunde melden und auf einem Zettel Name, Stand und Adresse seines Paten angeben, des¬ gleichen den Ort, wo er gefirmt werden soll. Nächste Woche beginnt der Firm¬ unterricht, und wer eine einzige Stunde ohne zwingenden Grund versäumt, be¬ kommt keinen Firmzettel.“ —So verkündete unser Katechet, nach außen ein gas strenger, „einwendig aber seelenguter Herr, am Schlusse einer der ersten Religions¬ stunden nach Ostern. Das „Elitekorps“ der Klasse bildeten wir Zwölfjährigen, die wir mit dem zwölf¬ „ jahrigen Jesus nur das gemeinsam hatten, daß wir wuchsen und zunahmen, wobei der große Unterschied war, daß wir hauptsächlich an Spitzbüberei und Uebermut zu¬ — nahmen nicht gerade zur größten Freude der Eltern und Lehrer sowie der übrigen wohlgesetzten Bevölkerung des Städtchens. Natürlich traf uns die Kundmachung des Herrn Katecheten nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, wir hatten das kommende große Ereignis schon seit Monaten zwischen Räuber= und Gendarmspielen, Kugerlscheiben, Reifentreiben, jachon zur Zeit des schuhemordenden „Schlifätzns“ (Schleifens, Tschunderns und wie sonst noch diese edle Betätigung heißen mag) eingehend erörtert, bei den meisten stand der „Göd“ schon baumfest, ja zum Teil schon die wichtige Frage der Firmgeschenke, zum Beispiel ob Zylinder= oder Remontoiruhr, denn diese beiden Systeme kämpften da¬ mals auf dem Uhrenmarkte um den Endsieg; auch die Frage, wieviel „Rubusdie 7 Firmuhr haben werde —oder, besser gesagt, haben solle —, wurde „fachmännisch erörtert, wobei sich einer unter stürmischer Heiterkeit zur Behauptung verstieg, sein „Göd“ werde ihm eine Uhr mit sechzig Rubus kaufen. Selbstverständlich war der Ort der Firmung ein Hauptstreitobjekt. Darauf war nicht zu rechnen, daß in unserem Städtchen selbst in den nächsten Jahren gefirmt werde; wir waren noch lange nicht „an der Reihe“. Das wußten wir aus dem Munde so manches alten Weibleins, das wichtige Ereignisse ebenso sicher veraussagte wie die Nummern, die in Linz oder Wien in der Lotterie demnächst herauskommen müßten, wenn es noch eine Ge¬ rechtigkeit auf dieser buckligen Welt gäbe. Für mich persönlich war die Verordnung und Verkündigung des Herrn Kate¬ cheten mit etwas peinlichen Gefühlen verbunden. Daß ich nach glücklich vollendetem zwölften Lebensjahre nun gefirmt werden müsse, stand ja fest. Aber betreffs der ge¬ wiß nicht unwichtigen Frage, wer das Glück haben sollte, mein Firmpate zu sein, bestand ein sehr gewaltiger Meinungsunterschied zwischen meinem Mütterlein und mir. Mein zwei Jahre vorher so unvermutet in der Blüte seiner Jahre in die Ewig¬ keit gegangener Vater, ein braver, rechtlicher, aber vom Unglück verfolgter Schneider¬ meister, hatte einen seiner besten Freunde, einen ehrsamen Schustermeister, als meinen „Gödn“ ausersehen und auch dessen Zusage erhalten. Mütterlein glaubte nun, an der väterlichen Entschließung um so eher festhalten zu müssen, als infolge des ansehnlichen Bedarfes meiner Person an Schuhdopplern, Schuhkappel¬ renovierungen, Absatzverstärkungen u. dgl. ein Schuhmachermeister nicht zu ver¬ achten war, der entweder um Gottes Lohn oder doch zu „tief herabgesetzten Preisen“ seinem geistlich=verwandten Springinkerl diese Werke leiblicher Barmherzigkeit er¬ weisen werde. Dagegen war ich ganz anderer Ansicht. Daß wir Herren Buben gerade beim Eintritt in die berühmten Flegeljahre mit einem Gutteil der erwachsenen Bevölke¬ rung, insonderheit es sich um Haus= und Gartenbesitzer handelte, nicht auf dem besten Fuße standen, ist doch klar. Und wenn man nun diesen „nicht=besten Fuß“ ausgerechnet einem Schuster infolge der geistlichen Verwandtschaft in die Hände spielen soll, ist gewiß schon grundsätzlich sehr bedenklich. Aber wenn dazu noch „konkrete Präzedenzien“ kommen, das heißt unangenehme Tatsachen, die schwarze Schatten auf die Zukunft werfen, dann bedarf es doch keiner besonderen Logik, daß man als Bub mit einer hübschen Portion Mißtrauen dem drohenden verwandtschaft¬ lichen Verhältnis entgegenblickt, wenn es auch nur ein geistliches ist, denn es artete

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