Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1932

374 Und weiter wurde gezischelt. Die schlimmen Gerüchte bekamen Flügel. Von der Feuerversicherungs=Gesellschaft kam ein Schreiben, ein höflich=kühles, vor Ausbezahlung daß der Summe erst noch eine neue Kommission erscheinen werde, um an Ort und Stelle der Ursache des Brandes nachzugehen, denn Entgeistert starrte Ferdinand Grody auf das Blatt. Seine Hände zitterten. Hölle und Teufel! ...so war alles umsonst?! Dann lachte er höhnisch. Mochten sie kommen! Wer wollte ihm was beweisen? Und wenn wirklich was gefunden war, wie der Wisch hier andeutete, konnte das nicht das Rachewerk eines entlassenen Arbeiters sein? Er sattelte seinen Rappen und jagte zur Stadt hinüber, um beim Champagner die dummen Gedanken zu vertreiben. Erst nach Mitternacht kehrte er heim mit schwerem Kopf. Es war trotz des Spätherbstes ein schwüler Tag gewesen. Und nun, als Grody halbwegs war, brach plötzlich von den Bergen her ein heftiges Gewitter los, so schwer, wie es um diese Jahreszeit selten erlebt wurde. Die Finsternis schien Flammen zu speien. Der Sturm peitschte den Staub hoch, wirbelte dürres Laub und abgerissene Zweige durch die Luft. Unaufhörlich toste der Donner. Rabenschwarz war die Nacht. Nur wenn die flammenden Blitze das Dunkel zerrissen, war der Weg erkennbar. Das Pferd zuckte bei jedem Blitzstrahl; der Reiter hatte Mühe, es zu bändigen. Von weitem leuchtete ein glühroter Punkt durch die Nacht. Und bei einem neuen Blitz erkannte er die rote Ampel vor dem Kreuze an dem gespensterhaft aufragenden Stück Mauer. Grody verfärbte sich. Was war das? Seit Jahren hatte dort kein Licht mehr gebrannt! . . .. Ein unheimliches Gefühl beschlich ihn. Es kam ihm nicht in den Sinn, daß heute wieder der Todestag seines Weibes sich jährte und wohl irgendeine treue Seele das Licht für ihre Seelenruhe ange¬ zündet hatte. Er würgte einen Fluch hinunter. Fatal, daß es keinen anderen Weg zum Direktorhaus gab, als an der Brandstätte und dem verwünschten Kreuz vorüber! „Vorwärts!“ Der Rappe bekam die Sporen zu kosten und raste in wilden Sprüngen dahin. Da —am Kreuz — mitten im Lauf stutzte das Tier, stand wie in den Boden gewurzelt, erschreckt vor dem Licht, das sich so plötzlich heftig hin und her bewegte. EinWindstoß hatte die an einem Eisenarm hängende Ampel erfaßt und geschüttelt. Gleichzeitig lohte ein ungeheurer Blitz auf, dem im Augenblick ein knatternder Donnerschlag folgte. Hoch auf bäumte sich das Pferd, schleuderte in wilder Hast den Reiter ab und jagte davon. Der schwere Fall eines Körpers ...Mit furchtbarer Wucht schlug der Kopf gegen den Steinsockel des Kreuzes! Ein markerschütternder gräßlicher Schrei gellte durch die Nacht — dann war alles still. Der Direktor kam aus seinem Haus gestürzt. Um Gottes willen, was war das?! Einpaar Taglöhner, die nahebei wohnten, liefen herzu. Da raste das reiterlose Pferd herbei. „Ein Unglück!!! ... Schnell den Weg hinab, Leute! Laternen her!“ Hastig liefen sie, mit den Lichtern am Boden suchend. Da am Kreuze eine dunkle Masse. „Jesus! Es ist der Herr!“ Sie beugten sich nieder — und taumelten entsetzt zurück vor dem gräßlichen Anblick. Ferdinand Grody lag da . . . mit zerschmettertem Schädel, die Hände krampf¬ haft geballt! Die verglasten Augen starrten weit offen. Von der scharfen Kante des Steinsockels rann Blut* Erschüttert standen die Männer und sahen auf den Toten hinab. Ein Grauen wandelte sie an. Wohl jeder dachte in diesem Augenblick an den Fluch, von dem die alte Ursel schaudernd gesprochen hatte.

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