Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1932

370 An dem Tage gab's einen furchtbaren Auftritt auf dem Kreuzhof. Ferdinand Grody war anfangs etwas verlegen und entschuldigte sich damit, er habe sie mit fertigen Werk überraschen wollen. dem Die Fabrik würde ein Segen für die Gegend werden, brächte Geld herein, neues Leben. Sie selbst würden steinreich werden. Mit der Landwirtschaft sei doch nichts verdient. „Ein Unglück wird sie für die Gegend sein!“ rief außer sich Christine. Sie bat und beschwor ihren Mann, abzulassen von seinem Plan. Sie rang darum. Die Angst machte sie beredt. Sie wog die Worte nicht. Da flammte sein Jähzorn auf: „Diale!“ (Teufel) knirschte er. „Schweig' oder .! Mein ist der Hof! Ich bin der Herr und tue, was ich für gut halte! In dem jungen Weibe wogte die alte Energie auf. Verzweifelt kämpfte sie um Rest des Vätererbes, der eigenen Art, der Vätersitte. Leidenschaftlich kämpfte sie. den Aber es war umsonst! Zu spät! O Gott, wie bitter hatte sich ihre Verblendung gerächt! Alles verloren! Alles! Ein wildes Schluchzen erschütterte sie. Dann sprang sie auf und schrie ihm ins Gesicht: „Betrogen hast du mich!!! du .. .! Unsegen hast ... Hätt' ich dich nie kennen gelernt! O du ¬ Betrogen du mir gebracht, mir und der Heimat . . .! Fremde Art, Gottlosigkeit! Meinen Frieden hast du gestohlen — mein Erbe verschleudert . . . vertrunken, verzettelt ... die Reitpeitsche riß er von der Einen Schrei der Wut stieß der Mann aus — Wand — schwer fiel sie auf sein Weib. * Ehe der Sommer zu Ende ging, waren alle baulichen Arbeiten beendet, die Maschinen einmontiert, fremde Arbeiter gekommen, ein Fachmann als Direktor eingestellt und — die Einweihung mit einem großen Trinkgelage gefeiert. Und der folgende Sommer fand die Fabrik in vollem Betrieb. Christine hatte sich in nichts mehr eingemischt. Müde und wortkarg lebte sie dahin. Brütete schweigend in ihrer leidschweren Einsamkeit. Nur einmal noch hatte sie sich aufgerafft. Das war, als ihr Mann das Kreuz entfernen wollte. Sie hörte, wie er zwei Arbeitern, die mit Aexten und Brech¬ werkzeugen vor ihm standen, Weisungen gab. Sie wurde bleich wie der Tod. Ihr Herz stand fast still vor Entsetzen. Wie eine gereizte Löwin sprang sie auf und verstellte die Tür. „Nur über meine Leiche!“ rief sie mit blitzenden Augen. „Das Kreuz bleibt stehen! Ferdinand, vergreif' dich nicht daran! Er schäumte vor Wut. „Zum Henker! Weib — mach mich nicht wild!“ schrie er mit entstelltem Gesicht. „Das Kreuz fällt! Hat mir lange genug im Wege gestanden. Meinst, ich ließ mich auslachen, wenn die Herren aus der Stadt kommen?! Ein Kreuz an einer Fabrik lächerlich . .. Evoye! (vorwärts!) gib Platz!“ Er packte sie roh an den Schultern. Aber mit ungeahnter Kraft hielt sie sich. „Das Kreuz war eher da als deine Fabrik!“ stieß sie bebend hervor. „Es gehört Mann, ich warne dich! Es gibt ein Unglück!“ Hof! zum Mit Unbehagen wohnten die beiden Arbeiter dem Auftritte bei. „Laßt gut sein, Herr,“ beschwichtigte nun der ältere. „Wenn es doch zum Hofe gehört ...! Unseren Herrgott kann man immer brauchen. 77 „Geht!“ herrschte er sie an. „Ich sage euch Bescheid. Mit verzerrtem Gesicht wandte er sich ihr wieder zu. Haß lohte sengend aus seinen Augen. „Und nun tu' ich's gerade!“ zischte er. „Ich lasse mich vor meinen Leuten nicht lächerlich machen!“ dann ist jede Gemeinschaft zwischen uns „Wenn du das Kreuz antastest — du Gottesschänder ... dann soll dich . .. soll dich mein Fluch ver¬ zerrissen — mein Fluch . folgen . . . bis übers Grab hinaus — Ohnmächtig brach sie zusammen. Eisig durchschauerte es ihn. Wieder der Fluch! Der unheimliche Fluch!

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