Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1932

368 „Verdammter Gaul!“ fluchte er. Sein eleganter Reitanzug war von oben bis unten voll Schlamm. Nun mußte er zu Fuß gehen. Es war empfindlich kalt; in dem nassen Zeug fror er. In schlechtester Laune taumelte er voran. An der Biegung des Weges leuchtete ihm vom Kreuz an der Scheune das rote Licht der Ampel entgegen. Das erregte von neuem seine Wut. Natürlich! Es war ja heute Freitag! Sonst kümmerte seine Frau sich um nichts im Hause, spielte ihm gegenüber die beleidigte Prinzessin. Aber Freitags, da konnte sie kommandieren und ruhte nicht, bis die Magd die rote Ampel angezündet hatte! So eine blödsinnige Verschwendung, den ganzen Tag und die Nacht das Licht zu brennen! Na warte, das hatte die längste Zeit gedauert! Wenn erst die Scheune Fabrik umgewandelt war, würde er mit dem frommen Kram schon aufräumen. zur Kreuz mußte weg! Das Kreuz zuerst! Das Er redete sich immer mehr in die blinde Wut hinein, je näher er dem ze kam. Kreu Jetzt hatte er es erreicht . . . und schreckte zusammen, denn am Kreuze regte sich etwas** * Da richtete die Gestalt, die dort gekauert hatte, sich empor, stellte sich ihm in den Weg. Sofort erkannte er sie und hob grimmig die Reitpeitsche. Mußte die Hexe ihm noch in die Quere kommen und ihn erschrecken! auch Es war die alte Ursel, ein armes Weib, das von der Mildtätigkeit guter Leute Auf dem Kreuzhof war sie früher immer reich beschenkt worden. Auch jetzt lebte. kam sie dorther, aber sie hatte nichts erhalten. Die Bäuerin lag zu Bett und das Gesinde machte sich in Abwesenheit der Herrschaft einen lustigen Tag und jagte die unwillkommene Störung sofort hinaus. Hungernd und frierend hatte sie am Kreuze gehockt, um vor dem weiten Weg ins Dorf erst etwas zu rasten. Bittend streckte sie nun die Hände aus. „Ein Almosen, Kreuzhofbauer!“ murmelte sie mit ihrer zittrigen Greisenstimme. „Aus dem Weg, verrücktes Weib!“ schrie Grody zornig. Aber sie wich nicht. Mitten im Wege stand sie, streckte beide Arme von sich, um aufzuhalten. ihn „Kreuzhofbauer, habt Erbarmen! Hab' seit gestern nichts Warmes gegessen. Namen des Gekreuzigten dort!“ Im Mit grimmigem Auflachen schwang er die Reitpeitsche gegen das Kreuz. „Hättest mich in drei Teufels Namen gebeten, so hätt' ich dir vielleicht was ge¬ eine furchtbare Gotteslästerung folgte ... aber für den dort geben * * * gräßlicher Fluch ein Die Alte knickte entsetzt in die Knie. der Fluch kommt auf Euch „Kreuzhofbauer,“ stammelte sie schaudernd, „... zurück . . .! Lieber hungern als von Euren gottlosen Händen Almosen . .. Bauer, habt das Gericht auf Euch herabgerufen! Ihr Außer sich vor Wut, kehrte er sich gegen sie. ——“ zweimal, dreimal fiel die Reitpeitsche „Scher dich weg, alte Hexe, oder zog blutige Striemen über den dürren Armen. undMit einem Schrei hastete die Ursel auf und keuchte davon. Aber nach wenigen Körper aufgerichtet, den Arm zum Schritten wandte sie sich um, den hageren Himmel gereckt: „Kreuzhofbauer!“ rief sie hohl, „du hast dein Verderben beschworen Unser Herrgott braucht dich nicht erst zu zeichnen, du bist schon gezeichnet an deinem du roter Judas . . .! Der Fluch wird über dich kommen und dich — roten Haar verzehren, dein Haus samt deinen Gebeinen! Das Gericht wird dich treffen ... —Gezeichnet!“ Gezeichnet bist! Er wollte sich auf sie stürzen, aber wie gebannt blieb er stehen. Unheimlich ragte die dunkle Gestalt des Weibes gegen den mondhellen Himmel. Kalter Schauer rieselte ihm über den Rücken.

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