Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1932

367 Leben und Treiben ihres Gatten, mit dem sie nur das Notwendigste sprach, noch nach der Außenwelt. Und so kam es, daß sie manche Dinge nicht erfuhr, die sie sonst vielleicht auf¬ gerüttelt hätten ... Es hatte sich am Jahresschlusse ergeben, daß die Wirtschaft des neuen Kreuz¬ hofbauern den Hof schwer belastet hatte. Der äußerst magere Ertrag der nachlässig und sinnlos bewirtschafteten Felder, die schlechte Wartung des Viehes, das teure Gehalt des Inspektors, der ewige Wechsel des Gesindes, das sich nach dem Beispiel seines Herrn keineswegs überarbeitete und nur an seinen eigenen Vorteil dachte... vor allem aber das kostspielige Leben des Besitzers selbst, seine Trinkgelage, seine Verschwendung und Großmannssucht das alles forderte erschreckend hohe Summen. Während seine Frau krank lag, ließ Ferdinand Grody einen Teil des zum Hof gehörigen Waldbestandes schlagen, um Geld zu schaffen. Und als dies nicht reichte, wurde ein Acker und eine Weise unter der Hand verkauft. Und der schöne Ferdinand brauchte oft, sehr oft Geld. Sein brandroter Fuchs lahmte plötzlich—er mußte ein neues, teures Reitpferd haben! Diesmal war es ein rabenschwarzer Rappe. Auch mußte er unbedingt in der Faschingszeit zu einer Zusammenkunft alter Gardisten einige Tage nach Berlin reisen. Und das Wiedersehen mit alten Freunden und Freundinnen mußte doch ausgiebig gefeiert werden! Daß er dort im Spiel eine gewaltige Summe verlor, das war eine Tücke des Schicksals ... In all diesen Verlegenheiten war er äußerst bequem, einfach ein Stück Land zu verkaufen. Gerd Haselkamp, an dessen Besitz der Kreuzhof stieß, schüttelte den Kopf. Er erwarb zwar gern genug die Felder, die seinen Hof so schön abrundeten; aber er hielt es in seinem ehrlichen Sinn doch für seine Pflicht, den leichtsinnigen Ver¬ käufer zu warnen. Ferdinand lachte. Pah, war verschlug das?! Die paar Aecker konnte der Hof schon verschmerzen! War groß genug. Ueberhaupt, es fiel ihm ja gar nicht ein, noch länger Bauer zu spielen! Er hatte andere Dinge vor! Ganz andere! Da schwieg Gerd Haselkamp. Was ging's ihn an, wenn dieser verhaßte Aben¬ teurer sich ruinierte —und die hochmütige Christine dazu! Doch nein, sein Groll gegen die ehemalige Jugendgespielin, die seine ehrliche Liebe zurückgewiesen hatte, hielt nicht stand. Sie war genug gestraft. Mit so einem Mann* Gerd Haselkamp biß die Zähne zusammen und erstickte einen Fluch. * Spät an einem mondhellen Abend ritt Ferdinand Grody seinem Hofe zu. Er war den ganzen Tag in Monschau gewesen zu allerlei Besprechungen und Ab¬ machungen, denn er trug sich mit großen Plänen; und er hatte schließlich seine „Ge¬ schäftsfreunde“ mit Champagner traktiert. Nicht sehr weit vom Hofe sprang plötzlich ein Hase aus dem Graben und lief dicht vor den Füßen des Pferdes über den Weg. Das erschreckte Tier machte uner¬ wartet einen heftigen Satz seitwärts; und der Reiter, der dem Sekt allzu ausgiebig zugesprochen hatte und die Zügel nur lose hielt, flog im Bogen in den mit Gestrüpp bewachsenen Schlammgraben. Reglos blieb er liegen. Eine Weile stand das Pferd und wartete. Da aber sein Herr nicht kam, trabte es ruhig den gewohnten Weg dem Stalle zu. Nach einiger Zeit erwachte Grody aus seiner leichten Betäubung. Der Sturz hatte ihn augenblicklich ernüchtert. Fluchend und schimpfend arbeitete er sich aus dem halbgefüllten Graben und dem scharfen Gestrüpp heraus und raffte seine Reit¬ peitsche auf. Dabei fühlte er einen heftigen Schmerz in der linken Schulter. Ver¬ wünscht! Auch das noch!

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2