Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1932

366 sprochen. Aber auf einen solchen Ausbruch von Wut, Spott und Gehässigkeit, wie er auf ihre Rede folgte, war sie doch nicht gefaßt . . . Es war, als fiele ihm nun die letzte Hülle ab. Bleich saß die junge Bäuerin da, wie zu Stein geworden. In ihren Augen wirrte ein Jammer. Eine bergschwere Last legte sich ihr auf die Brust. Sie wußte nun, daß sie einen furchtbaren Irrtum begangen hatte. Zu spät. Aber es war zu spät ... — Auf dem Kreuzhof wurde nach Jahresfrist der Sohn und Erbe geboren freilich nur ein schwächliches, zartes Geschöpfchen. Aber Ferdinand Grody strahlte in stolzer Freude. Er schien sich auf sein besseres Selbst zu besinnen, war freundlich und liebevoll zu seiner Frau. Mit Er¬ doch dann quoll unter staunen wurde Christine das inne, fast mit Bangigkeit ... dem Schutt vieler Bitternis ein leises Hoffen wie eine warme Welle hervor. Ob es noch einmal gut würde? Vielleicht! .. Hatten bisher die Ehegatten in den letzten Monaten kalt und stumm nebenein¬ ander vorbeigelebt, so bekam es nun den Anschein, als sollte das Kind sie wieder aneinander ketten. Ja, manchmal sah es fast aus, als wollte die erste Zeit ihrer Liebe wiederkommen. * Doch das währte nicht lange. Christinens Hoffnung zerbrach. kränkeln anfing und lange Als der Reiz der Neuheit schwand, als Christine zu da fand Ferdinand es bald langweilig, seiner Zeit ans Zimmer gefesselt blieb ... Frau Gesellschaft zu leisten, sie mit Sorge zu umhegen. Allmählich begann das alte Leben von neuem. Nur noch freier und unge¬ bundener war er jetzt, denn Christine kümmerte sich nicht mehr um sein Tun und Treiben Sie gab ihn auf. Es war ja doch alles umsonst ... Sie lebte nur noch für ihr Kind. Mit leidenschaftlicher Liebe hing sie an diesem Kinde, das ihr Ersatz bot für große Enttäuschung ihrer Ehe, das ihr Lebensinhalt wurde. die Doch ihr Mutterglück war nur von kurzer Dauer. Ehe zwei Monate ins Land das Opfer einer tückischen Kinder¬ gezogen, lag das kleine Wesen im Sarg — krankheit. Und mit ihm erstarb das letzte Hoffen, das noch zuweilen leise geatmet hatte. so Ferdinand Grody war außer sich. Sein Schmerzensausbruch erstaunte alle, maßlos und heftig gebärdete er sich. Aber es war ein theatralischer, zur Schau ge¬ und sich schnell tröstete. tragender Schmerz, der nicht tief ging — Die arme, beraubte Mutter aber saß wie erstarrt, mit trockenen Augen. Ihr Weh war zu groß für Tränen. Nur als ihr Mann in halb¬ Stumm brütete sie dahin, Wochen hindurch ... trunkenem Zustand ihr eines Tages vorwarf, sie habe den Kleinen nicht sorgfältig genug gewartet . . ., da blitzte es wie Haß und Verachtung in ihren dunklen Augen Sie, die ihr Herzblut für das Kind gegeben hätte! auf.„Wer von uns beiden ist gewissenlos und pflichtvergessen — du oder ich?“ fragte sie schneidend. Und er hielt den Blick seines Weibes nicht aus. Scheu schlich er hinaus. Die junge Bäuerin spann sich fortan ganz in ihr Leid ein und brütete über das Unglück ihres Lebens. Den Haushalt überließ sie vollständig den Mägden. Und es dauerte nicht lange, da ging es auf dem Kreuzhof unordentlich und wüst zu .. Christine konnte es nicht ändern. Ihr leidender Zustand verbot jede Arbeit. Siewar zu schwach und teilnahmslos, um tätig einzugreifen und nach dem Rechten sehen. zu wozu aufbauen, wo ihr Mann nur niederriß? Mochten die Dinge Zudem — * * * gehen, wie sie wollten Ein böses Herzleiden hatte ihre Lebensfreude und ihre Lebenskraft mit sich genommen. Schlimme Nächte zehrten an ihr. Sie lag an den meisten Tagen stundenlang auf ihrem Bett. Oder saß, von Kissen gestützt, im Sessel am Fenster, müde, untätig. Sie fragte weder nach dem

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