Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1932

365 die Dienstboten zu entlassen und ihm Vorschriften zu machen?! Seine Stirnadern schwollen. „Erstens verbitte ich mir, daß du eigenmächtig die Leute wegschickst! Das kommt mir zu!“ schrie er erbost. Christine schoß die Galle ins Blut. „Die Mägde gehen dich nicht an! Das ist meine Sach'!“ beschied sie schroff. „Oho! Nur nicht gleich aufs hohe Pferd gesetzt!“ „Ich verlange, daß der Mensch geht!“ beharrte sie. „Fällt mir nicht ein! Uebermorgen kommt die neue Mähmaschine, da brauch ich ihn. Der Otto Rennings ist ein tüchtiger Kerl, den laß ich nicht gehen um Weiber¬ launen, sexe! (weißt!) Die Thres ist eine alberne Gans, versteht keinen Spaß! Meinetwegen laß sie laufen. Aber die Kathrin hättest behalten sollen. Ist eine lustige Dirn, mit der man mal einen Scherz machen kann . ..“ 77 „Ferdinand!!“ Sie schrie es fast. „So denkst du? „So . .. so leicht.. „Tonnère! Taiß-tu donc! (Donnerwetter! so schweig doch!) Stell' dich nicht so albern an! Wenn der Otto seine Arbeit tut, was geht's uns an, mit wem er sein Gespaß hat! „Ferdinand, der Mensch muß weg! Ich warne dich. Sonst wirst schon die Folgen sehen! Keine ordentliche Dirn wird auf den Hof wollen! Ich dulde keinen solchen in meinem Hause!“ „Ah sicolà! In „meinem“ Hause sagst?“ stieß er höhnisch hervor. „Ich dächte, es ist mein Haus!“ Christine erblaßte tief. In scharfem Tone rief sie: „Mein Erbe ist's! Was du hast, hast du von mir!“ Der alte Erbstolz regte sich. Mit verzerrtem Gesicht sprang er auf. „Das ... wagst mir zu sagen? Daßich ein Bettler bin . .. von deinen Gnaden Kreuzhofbauer? ... Du — du Er ballte die Faust. Wut sprühte aus seinen Augen. Mit erhobenen Händen stand er vor ihr. Aber die junge Frau wich nicht zurück. Furchtlos sah sie ihn an... Da sanken seine Fäuste nieder. Mit einem Fluch wandte er sich ab und warf dröhnend die Tür ins Schloß. Unerquickliche Tage folgten. Ihr zum Trotz wollte Grody den Inspektor be¬ halten. Als aber seine Frau nicht mehr am Tisch erschien und fast kein Wort mit ihm sprach — die Dienstboten tuschelten schon und sahen ihn merkwürdig an —, da gab er knirschend nach: der feine „Inspektor“ verschwand. Aeußerlich war nun der Riß überdeckt, aber innerlich wurde die Entfremdung immer größer. Der Bauer war schlecht gelaunt, schimpfte über vermehrte Arbeit. Oefter als sonst ging er ins Dorf und kam betrunken heim. Als das zum erstenmal geschah, wandte Christine sich mit Ekel von ihm ab. Aber in der Folge befiel sie heißer Schrecken. Sie suchte mehrmals mit Bitten und Flehen auf ihren Mann zu wirken —die Trümmer ihres Glücks zu retten. Doch er warf bald die Maske des „feinen“ Wesens ab — Roheit starrte ihr entgegen. Christine fühlte den letzten Rest von Liebe zu ihrem Gatten schwinden. Eines Tages kam der Pfarrer auf den Hof. Da er den Hausherrn nicht daheim traf, bat er die junge Bäuerin eindringlich, ihrem Mann ins Gewissen zu reden. Nicht nur, daß er nie die Kirche besuchte, der ganzen Gemeinde zum Aergernis, er führte auch im Wirtshaus aufsässige Reden, wiegelte die Leute auf und machte jede Autorität lächerlich. Wie ätzende Lauge ergoß sich sein Spott über alle und alles. Es gab genug unreife Köpfe, in denen seine freigeistigen Schlagworte Ver¬ wirrung anrichteten. Unzufriedenheit und Spaltung käme durch ihn in die bisher friedliche Gemeinde. Christine erschrak bis ins Herz hinein. So schlimm stand es? So weit war das schon gekommen! O Mutter! Vater! ... Mit rotgeweinten Augen berichtete die junge Frau abends von dem Besuch und beschwor ihren Mann, doch nicht niederzureißen, was andere aufbauten, was heilig und ehrwürdig war. Sie hatte sich wenig Wirkung von ihrem Einfluß ver¬

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