Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1932

364 Allerdings, das tat er. Gestiefelt und gespornt, elegant vom Kopf bis zum Fuß, ritt er auf seinem brandroten Fuchs jeden Morgen über die Felder, hier tadelnd dort anspornend, unnütze oder sinnlose Befehle gebend, an die hinter seinem Rücken kein Mensch sich störte. Denn die Knechte hatten es bald heraus, daß ihr Herr von der Landwirtschaft nicht allzuviel verstand. Der Inspektor zeigte bei diesen Befehlen überlegenes Lächeln. ein Von dort sprengte Grody zum Dorf, um seinen Frühschoppen zu trinken. Mit hochrotem Kopf erschien er zum Essen, hielt danach einen ausgiebigen Mittagsschlaf. Gegen Abend hatte er dann stets eine „wichtige“ Sitzung oder Verabredung im Dorf oder im nächsten Städtchen. „Du kannst doch nicht verlangen, daß ich wie ein Knecht selbst hinter dem Pflug hergehe!“ sagte er ein andermal unwirsch auf die leise Mahnung seiner Frau. — sie konnte sich des Gedankens Nein, das verlangte Christine nicht. Und doch erwehren, daß ihr Vater dies nicht unter seiner Würde gehalten habe. Und nicht Gerd Haselkamp hätte. auch Freilich, Ferdinand war von anderer Art. Ob von besserer? Sie seufzte. Zweifel begannen sich zu regen. Aber sie unterdrückte sie. hatte ihn gewählt unter vielen . .. Er war ihr Mann. Sie hatte ihn lieb ... mußte sie auch seiner Art Rechnung tragen. NurSie selbst arbeitete fleißig in Haus und Hof und Milchwirtschaft. Nun die Jahre eitlen Tändelns vorüber waren, brach die tüchtige, kernige Art des alten Ge¬ des schlechtes durch. Bald schon benutzte der junge Kreuzhofbauer die Anwesenheit des Inspektors, um seine Frau Sonntags nicht mehr zur Kirche begleiten zu müssen. Er ließ sie allein fahren und ritt mit seinem Freund zur nächsten Stadt „zum Hochamt“. Das sehr vorteilhaft, erklärte Ferdinand eifrig. Man hörte dort gleich, wie die wäre Ernteaussichten allenthalben ständen, erfuhr die Vieh= und Saatpreise und die Ver¬ in der Umgebung. Wirklich, Ferdinand begriff nicht, weshalb er nicht schon käufe auf den gescheiten Gedanken gekommen war. früher In Christine wallte ein bitteres Gefühl auf, daß ihr Mann die Gesellschaft dieses Menschen ihr vorzog. Aber sie erhob keine Einwendungen. Wozu auch? Sie hätten ihr wenig genützt. Ferdinands Zärtlichkeit hatte sich in letzter Zeit merklich abgekühlt. Er konnte Frau rauh und barsch anfahren, konnte hämisch spötteln über ihre „engen seine Ansichten“, ihre „kleinbäuerlichen, rückständigen Begriffe“ und ihre „Bigotterie“. Sie fühlte allmählich eine Kluft der Entfremdung zwischen ihrem Mann und allgemach vertiefte. mit Schrecken spürte sie das — ihr sich auftun . . . die sich — An das „Hochamt“ in der Stadt glaubte Christine nicht. Es war ihr endlich klar geworden, daß ihr Mann ein völlig religionsloser Mensch war. Und mit dieser Erkenntnis brach ihr stolzes Glück zusammen. Wie konnte Frieden und Segen und Gedeihen da blühen, wo Gott ausge¬ schlossen, ja verhöhnt war? In diese Zeit fiel auch das erste Zerwürfnis von ernsthafteren Folgen zwischen den Ehegatten. Thres, die Stallmagd, kündigte plötzlich ihren Dienst. Sie war ein braves Mädchen aus achtbarer Familie und wollte sich die Zudringlichkeiten des „Herrn Inspektors“ nicht gefallen lassen und nicht durch ihn ins Gerede kommen!... Und die zweite Magd, Kathrin, ein leichtfertiges Ding, wurde von der jungen Frau selber Knall und Fall entlassen, als sie von dieser bei einem Stelldichein mit dem hübschen Inspektor überrascht wurde. Bebend vor Entrüstung erzählte Christine das abends ihrem Manne und forderte entschieden, daß er augenblicklich den sauberen Inspektor, der ohnehin überflüssig sei, entlasse. Ferdinand Grody nagte an der Unterlippe. Er war ärgerlich über Otto Rennings, den Inspektor, daß er nicht vorsichtiger war — zum Kuckuck, hier in der ländlich frommen Gegend waren die Mädels doch nicht wie in Berlin! Aber noch wütender war er über seine Frau, weil sie so energisch auftrat. Was fiel ihr ein,

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