Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1932

361 hm! .. der Händler war vorsichtig und wollte auch in Zukunft auf dem Kreuzhof Geschäfte machen.——Er murmelte was von Ungunst der Zeiten, Spekulationen, — — Hypothekenlast auf mehr ließ er sich nicht ein. Besorgt erzählte Gilbert das der Bäuerin, die erschrocken ihren künftigen Eidam zur Rede stellte. Doch mit gewandter Zunge erklärte dieser alles al. Ver¬ dächtigungen; wortreich wußte er ihre Bedenken zu entkräften.- Ueberschüttete sie mit einem Schwall schöner Worte, daß ihr der Kopf wirbelte und sie nichts zu ent¬ gegnen wußte. „Man gönnt mir mein Glück nicht,“ schloß er, zu seiner Braut gewandt. „Die Kerle sind neidisch, weil ich das schönste Mädchen der Gegend gewonnen habe * nicht wahr, mi binamé?“ (Geliebte). Wenn er zärtlich war, mischte er gern walloni¬ sche Ausdrücke ein, was Christine „entzückend“ fand. Daß Ferdinand Grody zu Gilbert, als sie ihm den Alten vorstellte, so hochmütig herablassend tat, als sei er der erste beste Knecht, und ihm nicht mal die Hand reichte, das mißfiel Christine freilich. Sie sagte es ihm in ihrer offenen Art auch so¬ fort, als Gilbert gegangen war. Er lachte mit bösem Blick. „Louk volà! (Sieh da!) wie du dich für den Alten ins Zeug wirfst! Ich denke, derhat seine Dienste getan und soll bald durch eine jüngere Kraft ersetzt werden!"“ Er hatte sehr wohl bemerkt, daß Gilbert ihm durchaus nicht hold war, und ge¬ dachte den unbequemen Aufpasser sich bald vom Halse zu schaffen. Aber mit erstaunten Augen sah Christine ihren Liebsten an. Ein Zürnen wallte in ihr auf. „Das würdest du tun, Ferdinand! Nie geschieht das! Nie. Gilbert gehört zum Hof! So hat Vater es bestimmt. Er hat uns treu gedient und soll immer hier bleiben. Sie wandte sich gekränkt ab. Er sah, daß er zu weit gegangen war, und lenkte schnell ein: „Natürlich, mein Herz,dann bleibt er . .. Komm, sei nicht böse!“ Er umschlang sie zärtlich. „Houte. m'feie (hör', mein Mädel), es soll ja alles geschehen, wie du es willst ...mi binamé. Seine Küsse überschauerten sie und erstickten rasch in ihr ein leises Un¬ behagen. Heiß schmiegte sie sich an ihn. Heimlich dachte Grody: „Verwünscht! Diese empfindsamen Weiber; .. . Na, nurZeit lassen! Erst fest im Sattel sitzen. Ich werd' den Alten schon wegekeln!“ Christine aber war wieder beruhigt. Und ihr junges Brautglück leuchtete in sonnlichter Sieghaftigkeit. * Der Kreuzhof hatte nun schon seit Monaten seinen neuen Herrn. Obgleich Christines Hochzeit mitten in den Winter fiel, wurde sie doch mit allem Glanz gefeiert, der bei der einzigen Tochter und Erbin aus reichem Hause üblich war. Und wenn auch viele die Kreuzhof=Christine hochmütig schalten und ihre Wahl ihr sehr verdachten — darin waren alle einig, daß sie eine schöne, glückliche Braut, daß es ein stattliches Paar war. Nur ein einziger Schatten trübte die strahlende Freudenhelle des Festes: einige Wochen vorher war der Vater des Bräutigams verunglückt. Man fand ihn er¬ trunken im Mühlenteich Der junge Mann schien seinen Vater nicht übermäßig zu betrauern. Kurz nach der Hochzeit verreiste er einige Tage —„um die Erbschaft zu regulieren und das Anwesen zum Verkauf zu geben“ wie er sagte. Daß die Sägemühle unter den Hammer kam und die zahlreichen Gläubiger nur einen geringen Bruchteil ihrer Forderungen erhielten, das erfuhren Christine und ihre Mutter nicht. Ebensowenig, daß der alte Grody, der seit Jahren keine Kirche besuchte, nicht durch Unglücksfall, sondern durch Selbstmord endete . . ., um sich der irdischen Gerechtigkeit zu entziehen. Denn er hatte Unterschlagungen und Wechselfälschungen begangen. Der neue Herr des Kreuzhofes bekümmerte sich vorerst um die Hofwirtschaft nur wenig. Lieber ging er auf die Jagd oder ritt ins Dorf hinüber in den „Sil¬

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