Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1932

359 „Seid Ihr da, Gilbert?“ begrüßte ihn die Bäuerin, eine schmächtige, asthma¬ leidende Frau, etwas aufgeregt. „Geht mal gleich in die Stube, Christinchen will Cuch was Neues mitteilen. Ihr sollt es zuerst hören.“ „Also is es doch wahr!“ stieß Gilbert bekümmert hervor. „Sie nimmt wirklich Fremden? den * * „ Gebt das nicht zu, Bäuerin! So ein Hergelaufener is kein Bauer für'n Kreuzhof.“ Verwundert sah die gutmütige Frau ihn an. „Aber Gilbert, woher wißt Ihr denn schon? Er ist doch erst * Sie kam nicht weiter. Christine stand im Türrahmen. Sie mußte Gilberts Worte gehört haben. Ihre Wangen brannten. „Daß du's nur weißt, Gilbert, ein „Hergelaufener“ ist er nicht. Ist von gutem Herkommen. Sein Vater hat eine Sägemühle, drüben bei Schleiden irgendwo herum. Und stolz und stattlich ist er wie keiner hier in der Gegend. Und überhaupt, ich hätt' nie gedacht, daß du nicht einmal einen Glückwunsch für mich haben würdest. Sie war tief gekränkt, daß der alte Freund ihrer Kindheit an ihrem Schatz was auszusetzen hatte. „Aber Christinchen ..., ich wünsch dir ja alles Gute“, beschwichtigte Gilbert und faßte ihre Hand, „und erst recht 'nen guten Mann. Aber .. ..er hüstelte ver¬ legen, „einer, der so geschniegelt und geleckt und vornehm daherkommt ... „So?“ rief Christine beleidigt. „Meinst wohl, einer in Holzschuhen mit unge¬ knüpftem Halstuch passe zu mir? Mir gefällt er grad', weil er so fein ist! Ganz anders wie alle hier! „Nun, nun,“ lenkte die Bäuerin ein, „ich hätt' auch lieber ’nen Hiesigen ge¬ habt, so einen von deftiger Art, wo man Familie und Freundschaft kennt. Aber soll ich meinem einzigen Kinde entgegen sein? . . . Die beiden müssen ja mitsammen hausen. Er scheint ja Christinchen arg gern zu haben. Sie hat ihn auch schon in Monschau auf'm Oekonomenball getroffen. Und er ist doch auch aus guter Familie.“ „Wenn bloß nich alles Wind ist?“ zweifelte der Alte mißtrauisch. „Religion scheint er nicht viel zu haben, an unserem Kreuz ging er ohne Gruß vorbei. Die Mutter stutzte. Aber Christine rief mit blitzenden Augen: „Das ist nicht wahr! Als wir am Sonntag den Hof rundgingen, hat er andächtig den Hut davor gezogen! Der Alte brummte nur etwas. Natürlich, wenn die Frauen dabei waren! So dumm würde er schon nicht sein! Aber heute hatte er's nicht für nötig gehalten. Von der Haustür aus konnte man ihn ja nicht sehen! Er raffte sich zusammen. Sagte schwerfällig: „Nun, ich hab' ja nix drein¬ zureden. Mich geht das ja nix an, ich bin bloß der Knecht. Also ich wünsch' dir alles Glück, Christelchen, ... ja. Und daß du es nie bereust. Und euch auch, Bäuerin. Er wischte mit dem Handrücken etwas Feuchtes aus den Augen. Die Frau wurde nun auch gerührt. „Ach, wenn der Bauer selig doch noch lebte!“seufzte sie und sank auf einen Stuhl. „Ihr habt mich ganz bang gemacht, Gilbert. Das Urteil des alten treuen Verwalters, der mit dem Hof ganz verwachsen war blieb nicht ohne Eindruck auf ihr ängstliches Gemüt. „Das wollt' ich nich, Bäuerin,“ sagte Gilbert schwer. „Aber mein seliger Herr hätt den nie als Schwiegersohn haben wollen! Der war von solider, kerniger Art und konnt' kein' Windbeutels ausstehen.“ Christine fing an zu weinen. „Daß du mit deinen Unkenrufen auch mein Glück stören mußt! Ist das schön dir, Gilbert? von Dem alten Mann wurde es unbehaglich. Weinen sehen konnte er seinen Lieb¬ ling nicht. Beruhigend tätschelte er ihre Hand. „Nun, laß gut sein, Christinchen. Wir wollen das Beste hoffen.“ Er blickte sorgenvoll vor sich hin. Dann sagte er langsam: „Na, ich kann dann mein Bündel wohl schnüren, wenn der neue Herr kommt? „Was fällt Euch ein, Gilbert?“ rief die Bäuerin. „Wir können Euch doch gar nicht entbehren. Keiner kennt den Hof wie Ihr!“

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