Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1932

358 Neugierig blickte der Alte dem Näherkommenden entgegen. War das ein Feiner! Der jagdgraue Anzug mit grünen Aufschlägen, das kecke graue Jäger¬ na, der gab sich hütchen auf dem rötlichen Haar, die gelben Ledergamaschen — nobel! Wohin mochte der wollen? Er ritt einen brandroten Fuchs — und nun, als er die sinkende rote Abendsonne im Rücken hatte und Roß und Reiter wie in rote Glut getaucht erschienen . . . nun gab es Gilbert einen Ruck. Zum Kuckuck, wenn das nicht der neue Freier der Kreuzhofchristel war, der letzten Sonntag auf dem Hof Besuch gemacht hatte! Die Thres, die Stallmagd hatte es ihm doch nachher erzählt! Gilbert war an dem Tage über Land gefahren zu seiner verwitweten Schwester. Er hatte auch nicht auf das Erzählte geachtet, dergleichen Besuche kamen ja so oft. Aber sagte die Thres nicht, es sei „ein Roter Ja, das mußte er sein. ** * gewesen Der Reiter trabte jetzt vorüber, den Gruß des Alten nur mit einem nachlässigen Nicken erwidernd, statt den landesüblichen Erntegruß „Gott helf' euch!“ zu bieten. Gilbert schüttelte mißbilligend den Kopf. Der Mensch gefiel ihm nicht. Was für hochmütiges Gesicht der hatte! Den würde die Christel doch nicht nehmen? So ein Windhund! nen Wie hatte die Thres doch noch weiter gesagt? „Wenn das Fräulein Christine kriegt, hat sie auch nix zu lachen. Meine Großmutter selig sagte immer, die den Rothaarigen taugen alle nix. nein, der Das mit den Rothaarigen war freilich Unsinn ... aber sonst — Kerl taugte nicht zum Kreuzhofbauern! ... Sich umwendend, gewahrte Gilbert, wie die Frauen die Köpfe zusammen¬ steckten. Thres zeigte mit ausgestrecktem Arm dem Reiter nach und tuschelte eifrig. Unwirsch wies er die Leute an ihre Arbeit. Ihm selbst war die Lust zum Schaffen vergangen. In schwere Gedanken ver¬ sunken fuhr er mit den beiden Kartoffelwagen heim. Ob dieser Bewerber wohl Aussicht hatte? grübelte er unterwegs beunruhigt. dann hätte die Bäuerin ihm dieser Tage wohl was gesagt, und Christelchen Nein, Er gehörte doch fast zur Familie! auch Gilbert machte sich nach dem Abladen der Kartoffeln noch in Stall und Scheune zu schaffen, obschon er die Bäuerin nach ihm rufen hörte. Er ging nicht ins Haus — den Besucher fort¬ er nach etwa zwei Stunden — es dunkelte schon stark bis reiten sah. Von der Stallecke aus schaute der Alte ihm nach, wie er mit stolzgetragenem Kopf durch das breite Hoftor ritt. Recht wie ein Sieger! An der Seitenwand der großen Scheune, die rechts vom Einfahrtstor lag, * ragte ein hohes Kreuz empor — aber der Reiter grüßte es nicht „Der scheint seinen Herrgott nicht nötig zu haben,“ murrte Gilbert ingrimmig. Dies Kreuz war das Wahrzeichen des Hofes. Von ihm hatte er seinen Namen. Schon der Großvater des vorigen Eigentümers hatte an dieser Stelle, an der einmal Unglück geschehen war, ein Holzkreuz errichtet. Und jeder Besitzer hielt es ein pietätvoll in Ehren. Als vor einigen Jahren die alte Scheune zu klein und baufällig wurde, riß der verstorbene Bauer sie nieder und erbaute eine langgestreckte, stattliche neue. Dabei ließ er statt des alten, morschen Holzkreuzes, das der Sturm eines Nachts umwarf, ein prächtiges Steinkreuz genau an der gleichen Stelle, unmittelbar vor der Scheunenwand, errichten. Die Wand war hier in der Breite des Kreuzes um eine Steinlage ausgehöhlt, gleichsam eine flache Nische bildend. Oben trat das Dach etwas vor und schützte das Kreuz vor der Dachtraufe. Eine niedrige Kniebank war auch angebracht. Allfreitaglich brannte zu Füßen des Heilandes, der das dornenumstarrte Haupt tief gesenkt hielt, ein rotes Licht zu Ehren seiner Todesangst ... Und an diesem ehrwürdigen Denkmal ging der Fremde achtlos vorüber! ... Gilbert schüttelte den grauen Kopf und ging ins Haus.

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